0838 - Paradies der Feuerflieger
diesmal noch farbiger, noch intensiver, noch wirklichkeitsnäher als bisher. Sie glitten durch die warme Luft und ließen sich von kräftigen Strömungen bis in schwindelnde Höhen tragen. Sie hockten auf den Kuppen der Burgfelsen und ließen den reichen Boden durch Finger und Zehen rinnen. Sie bestaunten den für ihre Begriffe ungeheuren Wasser-und Pflanzenreichtum dieser Welt -immerhin gab es Hunderte kleiner Seen, die mitten in der Wüste Oasen gebildet hatten. In den Hainen und auf den Wiesen, mit denen die Seen gegürtet waren, wimmelte es von Tieren, manche fremdartig, manche vertraut. Die Mucierer hatten ihre Waffen mitgebracht und veranstalteten mit Erlaubnis der Götter eine Jagd. Die Beute brachten sie auf den mächtigsten aller Burgfelsen, den sie Mu-a-muzar, den „Felsen der Felsen" genannt hatten, und brieten sie dort über einem mächtigen Feuer. Auf diese Weise überzeugten sie sich, daß das Fleisch der Tiere ungeheuer schmackhaft war - eine Speise fast wie für Götter. Diejenigen unter ihnen, die gewohnt waren, mehr zu sehen als das, was ihnen vor Augen lag, machten sich Sorgen über andere Dinge - und fanden sie alsbald unbegründet. Die Götter zeigten ihnen Stätten in der Wüste, an denen Schwefel in kristalliner Form zutage trat. Sie zeigten ihnen andere Orte, an denen der Sand eine merkwürdig rostbraune Färbung hatte - untrügliches Kennzeichen für den Reichtum an Eisenerz, den er in sich trug.
Und sie zeigten ihnen auch Seen, die nicht mit Oasen gegürtet waren, weil ihr Wasser giftig war - ätzende Lauge, aus der Pottasche gewonnen werden konnte.
Es gab alles, was die Mucierer begehrten. Es gab es in Hülle und Fülle - aber nicht etwa so, daß sie von nun an das Leben von Müßiggängern hätten führen können. Der Schwefel mußte abgebaut, das Eisenerz verhüttet und die Lauge verarbeitet werden. Die Tiere der Oasen kamen nicht freiwillig zu den Burgfelsen gelaufen, man mußte sie jagen. Und selbst auf dem reichsten Boden wuchs nichts, es sei denn, man bepflanzte oder besäte ihn zuvor.
Auch wenn sie im Paradies lebten, würden die Mucierer sich mühen müssen. Das Leben im Paradies würde sich nicht wesentlich von ihrem bisherigen Dasein unterscheiden. Aber die Not war vorbei. Es würde keiner mehr verhungern müssen, nur weil er trotz aller Mühe das Lebensnotwendige nicht beschaffen konnte. Die Armen würden reich werden und die Reichen noch reicher.
Es würde, dachte der schlaue Mit-sino, der seine Artgenossen kannte wie kein anderer, sogar Grund und Anlaß für Stammesfehden geben. Denn einige Erzlagerstätten waren reicher als andere - in manchen Gebieten lagen die Oasen dicht bei dicht, während es andernorts Tagesmärsche von der einen bis zur nächsten waren - und auch die Laugentümpel waren keineswegs gleichmäßig über die Oberfläche der Paradieswelt verteilt.
Die Fehde war das halbe Leben eines Mucierers. Nahm man sie ihm, so mußte er verkümmern. Mitsino wußte das. Deshalb waren seine Sorgen bezüglich der Vollkommenheit des Paradieses erst dann beschwich-tigt, als er erkannt hatte, daß auch hier sein Volk Grund finden würde, Parteien zu bilden und Kriege zu führen.
Und dann geschah etwas Merkwürdiges. Die Götter mit dem großen Sternenschiff hatten erklärt, die Mucierer hätten nun genug vom Paradies gesehen. Sie sollten sich zusammensetzen und ihre Entscheidungen treffen. Morgen, wenn die Sonne über dem Sternenschiff aufging, würde es die Paradieswelt verlassen.
Sie trafen sich auf der Kuppe des Muz-a-muzar. Sie brannten drei mächtige Feuer und verzehrten die Speisen, die die Götter ihnen verschafft hatten. Sie waren dreihun-dertundsiebenunddreißig Feuerflieger.
Aber die Kuppe des Felsens war so mächtig, daß sie das Zehnfache dieser Zahl mit Leichtigkeit gefaßt hätte.
Als die Becher kreisten, wurde abgestimmt. Ein Stamm nach dem ändern gab seine Zustimmung. Das Paradies wurde einstimmig angenommen. Kein einziger sprach sich dagegen aus, daß die Mucierer ihre bisherige Welt verlassen und sich im Paradies ansiedeln sollten.
Dann erhob sich Mitsino. Er machte die Versammlung darauf aufmerksam, daß er an der Erlangung des Paradieses nicht unerheblichen Anteil gehabt habe. Er aber sei der Allerälteste des tapferen Stammes der Iti-Iti, daher müsse der Felsen der Felsen, der Muz-a-muzar, den Iti-Iti als zukünftiger Wohnsitz zuerkannt werden.
Der schlaue Fuchs rechnete nicht damit, daß seine Forderung angenommen würde. Er war in
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