0839 - Ruhe sanft und komm nie wieder
gebildet hatte. Lilith, die erste Hure des Himmels, eine widerliche Person, ein Etwas, das für einen Menschen nicht zu fassen war, das aber das Böse abstrahlte, ebenso wie Luzifer.
Damals, im Dom zu Altenberg, hatte es ein Mann namens John Sinclair geschafft, diesen Einfluß der Dämonin Lilith zu zerstören. Aber war ihm das auch für alle Zeiten gelungen?
Elohim wußte es nicht, und er fürchtete, daß dies nicht der Fall gewesen war und sich noch gewisse Reste in ihm erhalten und verkrustet hatten.
Raniel hatte mit seinem ›Sohn‹ nie darüber gesprochen, dieser aber konnte sich vorstellen, daß gewisse Dinge immer wieder hochstiegen, denn sie stammten aus den Urzeiten, hatten alles überdauert und waren wieder stark geworden.
Warum hatte Raniel ihn zu diesem einsam stehenden Haus geschafft und war dann selbst verschwunden? Sollte die Zeit hier seine große Probe sein?
Das Haus war durch den Hüter Rabanew besetzt gewesen. Ihn gab es nicht mehr, so hatte sich ein Wunsch des Gerechten möglicherweise erfüllen können.
Damit war die Sache nicht ausgestanden, denn der Junge merkte sehr deutlich, daß eine weit größere Gefahr in der Nähe des Hauses lauerte. Er erhielt keine konkreten Hinweise, es war einfach die Aura, die er als sehr sensibler Mensch spürte. Sie lastete über dem Haus und hatte sich auch um das Gebäude herum verteilt. Zudem gab es einen Ursprung, denn das Böse hatte sich manifestiert und seinen Platz jenseits des Zaunes gefunden, wo auch die Grabsteine standen. Dort befand sich der alte Friedhof.
Elohim stand am Fenster. Er wußte nicht, was er tun und wie er sich überhaupt verhalten sollte. Er stand einfach da, schaute aus weit geöffneten Augen in die Nacht, wo die Dunkelheit ihre Schatten über das Land gelegt hatte.
Schatten, die das Böse verbargen, die Angst einflößten, aber Elohim wollte keine Angst mehr haben. Er erinnerte sich an die Worte des Gerechten, der ihm erklärt hatte, daß die Angst besiegt werden mußte. Eine gesunde Angst hatte jeder Mensch, doch die spezielle mußte überwunden werden, was nichts mit Heldentum oder großer Tapferkeit zu tun hatte, sondern einzig und allein mit dem Mut, über den eigenen Schatten zu springen, um Dinge zu tun, die getan werden mußten.
Elohim nickte leicht. Er sah jetzt aus wie jemand, der zu einem Entschluß gekommen war, und er wollte diesen Entschluß auch sofort in die Tat umsetzen.
Nach einem letzten Blick drehte er sich um und wandte sich vom Fenster ab. Er schaute in die schwarzgraue Dunkelheit des leeren Raumes. Zielsicher schritt er auf die Tür zu, mußte nicht lange suchen, denn er fand mit einer Bewegung den Türgriff.
Er drückte ihn nach unten und zog das quietschende Etwas auf. Er lauschte für einen Moment den wimmernden Geräuschen, wobei er den Kopf nach links drehte, um in die Dunkelheit zu schauen.
Keine Bewegung war dort zu sehen.
Niemand lauerte ihm auf.
Warum auch, denn das Böse war unsichtbar. Es zeigte sich nur dann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, und der war noch nicht da. Elohim hatte Zeit, vielleicht viel Zeit. So hoffte er, daß sein Beschützer im richtigen Moment zur Stelle war, wenn sich das Böse aus den Tiefen der Erde heraus freie Bahn verschaffte.
Er ließ die kurze Treppe hinter sich, öffnete wieder eine Tür, stand in der ersten Etage und schlich dann auf die breitere Treppe zu, die nach unten in die Halle des großen Hauses führte, das in den letzten Jahren irgendwie gestorben war.
Für Menschen ungeeignet. Niemand wohnte hier mehr. Keiner hatte sich hierher zurückgezogen, das Haus wirkte wie ein Schlund, der tief in der Erde lag.
Es war kalt.
Der Geruch von alter Asche klebte innen an den Wänden. Kein noch so kleines Stück Glut leuchtete mehr im alten Ofen. Zwischen diesen Wänden hatte sich der Atem einer kalten Welt eingenistet.
Elohim erreichte die Tür und öffnete sie. Er spürte sofort die Kälte der Winternacht, nur war es eine andere als die, die in dem Haus lauerte.
Sie war normal, mit ihr konnte man zurechtkommen. Diese Kälte gehörte einfach zur Jahreszeit, die andere nicht.
Der Junge verließ das Haus. Sein eigentlich weiches Gesicht hatte einen harten Zug bekommen.
Scharfe Falten zeichneten Teile der Haut nach. Die Nasenflügel bebten. Nach den ersten Schritten wickelte sich Elohim in seinen dunklen Mantel ein. Den Kragen hatte er längst hochgestellt.
So ging er den Weg wieder einmal, auf dem er mit Rabanew gekämpft hatte. Von ihm selbst
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