084 - Machetta, Sumpfhexe vom Mississippi
verwitterten Baumstumpf vor der Hütte, starrte an den schmalen verwachsenen
Pfad flankierenden Totenkopfpfählen vorbei auf die trübe, morastige Landschaft,
die sich wenige Schritte vom festen Boden entfernt ausdehnte.
Nachts wurde
Cindy manchmal wach und glaubte, im Plätschern des Regens schmatzende, gurgelnde
Geräusche zu hören, als bewege sich etwas im Sumpf. Wie ein großes Tier, das darin
schwamm und sich suhlte.
Am späten
Nachmittag hörte es zu regnen auf.
Die Luft war
feucht und warm. Bei dieser Jahreszeit hatte man das Gefühl, sich mitten in einem
tropischen Dschungel zu befinden. Überall schwirrten Mückenschwärme herum. Die
Feuchtigkeit und die Wärme lockten die Insekten an. Sie spürten die Nähe der
beiden Menschen, und Cindys Oberarme, Rücken und Schultern waren schon verstochen.
Nachts lag
sie meist nackt im Schlafsack, weil es so schwül war. Tagsüber lief sie nur mit
einem kurzen Rock oder Shorts bekleidet herum, den Oberkörper frei.
Genauso hielt
es Andrew. Er drehte die ganze Zeit über an einem Transistorradio, hörte Musiksendungen
und verfolgte die Nachrichten, war mit sich und der Welt zufrieden.
»Okay, Baby.
Die Kerle haben unsere Spur verloren. Bei dem Wetter kommen die nie in den
Sumpf. Wir haben das große Los gezogen.« Er erhob sich und reckte sich. Seine
Rippen traten deutlich hervor. An seinem Körper war kein Gramm Fett.
Cindy hatte
die letzte Nachrichtensendung mitverfolgt. Demnach hatte man Greenville und
Umgebung abgesucht und war sogar rund drei Meilen tief in den Sumpfwald
eingedrungen.
Alle
wichtigen und bekannten Pfade hatte man kontrolliert und festgestellt, daß sie
nicht begangen worden waren. Aber auch auf dem Weg nach Jackson oder beim
Überschreiten der Grenze zum Nachbarstaat Tennessee waren die beiden jungen
Leute nicht beobachtet und gesehen worden.
Andrew
Coaches zündete sich eine Zigarette an, schlenderte zur Tür, die weit
offenstand und warf einen Blick hinaus in die dampfende Sumpflandschaft.
»Ich mach
einen kleinen Spaziergang«, sagte er. »Kommst du mit?«
»Mhm, nein.«
Cindy schüttelte den Kopf. »Ich kümmere mich um den Haushalt.« Sie grinste. »Ich
bringe die Bude hier auf Hochglanz, während du dich auf die Suche nach Beeren
machst. Bring eine anständige Portion mit, damit unser Steinzeitleben hier
abwechslungsreicher wird.«
»Ich komme
mir schon vor wie Fred Feuerstein.«
»Und ich wie
Wilma.« Sie reckte den Busen.
»Aber bei dir
stimmt wenigstens die Oberweite. Reiche mir eine Schüssel, Steinzeit-Girl!
Ich werde
Beeren sammeln.«
Sie nahm
eines der alten, verbeulten Aluminiumgefäße, die hinten in der Ecke standen.
Andrew
Coaches klemmte sich die Schüssel unter den Arm und ging bis vor zu dem ersten
aufgespießten Menschenschädel. Er pochte an dessen Stirn, steckte ihm einen
Finger in das ausgefranste Nasenloch und kitzelte den Schädel dann unter dem aufgeplatzten
Kinn.
»Ein schönes
Kerlchen, nicht wahr? Der Kopf klingt ein bißchen hohl, aber daran kann man wohl
nichts mehr ändern. Wir nehmen auf alle Fälle einen mit, wenn wir von hier
aufbrechen, Baby. Ich bastle mir einen Ascher davon. Die Schädeldecke abgesägt
und schon haben wir was, wo wir die Asche reinfüllen. Ist doch eine Idee, was?
Oder hast du immer noch Angst?«
»I wo.« Sie
lächelte.
Andrew
Coaches sah sich um. Es herrschte noch immer Mangel an Tageslicht. Es war
düster und trüb. Von den dicht mit Blättern bewachsenen Asten und Zweigen
tropfte der Regen.
Auch der
saugfähige Boden auf der Insel hatte unter dem Dauerregen der letzten zwei Tage
merklich gelitten. Der Boden schmatzte unter jedem Schritt.
Wenn es so
weiterregnete, wurde selbst der Aufenthalt auf diesem höher gelegenen Punkt in der
Sumpflandschaft zum Risiko. Wenn das Hochwasser erst mal die Hütte erreichte,
wurde es kritisch.
So erfüllten
die Spaziergänge, die er angeblich machte, um die Gegend besser kennenzulernen,
einen sehr wichtigen Zweck. Er versuchte, eine Stelle zu finden, wohin sie sich
bei einer Verschlechterung des Hochwasserstands im Sumpfwald zurückziehen
konnten.
Aber bis zur
Stunde hatte er noch keine solche Stelle gefunden.
Er konnte
Cindy gegenüber auch nicht zugeben, daß er momentan nicht mal eine Ahnung davon
hatte, wo sie sich eigentlich befanden. Er kannte diese Gegend überhaupt nicht,
und das Risiko, sich jetzt auf den Weg zu machen und einen Pfad zu suchen,
schien ihm zu groß.
Durch das
aufgestaute Regenwasser war alles ringsum auf
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