084 - Medusenblick
sich mit verschlossener Miene Notizen, die er später höchstwahrscheinlich in den Papierkorb werfen würde.
Geschuppte Haut… Wolfsschnauze… Schlangenhaar… Tigerkrallen… aha…
Roderick Luxon rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her. Mit wachsendem Unmut beobachtete er Inspektor Bogardes sinnlose Kritzeleien.
»Wollen Sie nicht endlich etwas unternehmen?« platzte es schließlich aus ihm heraus. »Dort draußen läuft ein schreckliches Ungeheuer herum, und Sie machen Striche aufs Papier!«
»Mr. Luxon«, erwiderte der Inspektor verstimmt, »erstens haben Sie mir keine Vorschriften zu machen, zweitens denke ich nach und drittens versuche ich, eine Skizze von dem Kerl anzufertigen. Ich habe nämlich ein ganz passables Zeichentalent.«
»Inzwischen bringt das Monster vielleicht Menschen um!«
»Meine Männer müssen wissen, hinter was sie her sind.«
»Verdammt noch mal, warum sagen Sie nicht gleich, daß Sie uns genauso wenig glauben wie Ihre Männer?« schrie Luxon aufgebracht.
»Ich muß Sie bitten, sich etwas zu mäßigen, Mr. Luxon«, sagte Efrem Bogarde energisch. »Sie sind hier nicht in Ihrer Wohnung.«
»Habe ich nicht gesagt, daß man uns nicht glauben wird?« bemerkte Wasson resignierend. Er wandte sich an den Inspektor. »Dürfen wir gehen?«
»Augenblick noch«, sagte dieser. »Ich möchte die Skizze fertigstellen und Sie bitten, sie sich anzusehen.«
»Wozu?« fragte Luxon trotzig. »Sie glauben uns ja doch nicht. Um Ihr zeichnerisches Talent zu bewundern, ist uns unsere Zeit zu schade. Aber das eine sage ich Ihnen: Wenn dieses Scheusal auch nur einen Menschen verletzt oder tötet, sorge ich dafür, daß die Medien Sie an den Pranger stellen. Man wird Sie in der Luft zerreißen, das schwöre ich Ihnen. Einen ganzen Tag werde ich am Telefon hängen und allen von Ihrer Gleichgültigkeit, von Ihrer Überheblichkeit, von… von Ihrer Borniertheit erzählen!«
Efrem Bogarde schlug mit der Faust auf den Tisch. »Mr. Luxon, ich halte es Ihrer großen Aufregung zugute, daß Sie nicht wissen, wie Sie sich hier zu benehmen haben, aber strapazieren Sie meine Geduld nicht zu sehr, sonst hänge ich Ihnen ein Verfahren wegen Amtsehrenbeleidigung an!«
Das Gekritzel nahm allmählich Gestalt an. Inspektor Bogarde verfügte tatsächlich über ein überdurchschnittliches Zeichentalent. Luxon war der Ansicht, Bogarde wäre besser Zeichner denn Polizeiinspektor geworden.
Als Efrem Bogarde den Zettel drehte, entwich Sterling Wasson ein überraschter Laut. »Ja! Ja, Inspektor! Haargenau so hat das Scheusal ausgesehen.«
Bogarde lächelte selbstgefällig. Ob die Geschichte nun wahr war oder nicht, die Skizze konnte sich sehen lassen. Grauenerregend sah sie aus.
Er drehte sie sich wieder zu. »Dieses Monster haben Sie beide also in der Sackgasse gesehen.«
»Herrgott noch mal, ja!« sagte Luxon laut. »Wie oft sollen wir das denn noch erzählen? Der Kerl versteckte sich in einer Mauernische, aber ich habe ihn entdeckt. Er verbarg seine Scheußlichkeit unter einer Art schwarzem Umhang, aber ich riß ihn ihm vom Kopf.«
»Und er tat nichts weiter, als Sie umzurennen. Und Mr. Wasson hat er überhaupt nichts getan.«
»Es wäre ein schwerer Fehler, ihn deshalb für harmlos zu halten, Inspektor«, sagte Luxon. »Ich sage Ihnen, das ist ein verdammt gefährlicher Teufel!«
»Kam Ihnen keine Sekunde die Idee, es könnte sich um einen verkleideten Menschen handeln?«
»Mit lebenden Schlangen auf dem Kopf?«
»Sie könnten aus Plastik gewesen sein.«
»Können Plastikschlangen beißen?« fragte Roderick Luxon heiser. Gleichzeitig streckte er den rechten Arm vor und ließ den Inspektor seine Hand sehen. Die Bißwunde bestand aus zwei kleinen roten Punkten. »Als ich ihm den schwarzen Stoff vom Schädel riß, schnellte eines dieser zischenden Biester vor und schlug mir die Zähne in die Hand. In meinem Schock bekam ich das zuerst gar nicht richtig mit. Jetzt bin ich froh, daß es keine Giftschlange war.«
»Lassen Sie sehen«, verlangte Wasson perplex.
Luxon zeigte die Hand auch ihm.
»Man sollte die Wunde versorgen«, bemerkte der Fahrlehrer. »Damit kein Schmutz reinkommt.«
»Der Polizeiarzt wird sich darum kümmern«, sagte Inspektor Bogarde und griff zum Telefon.
***
Es war Phorkys nicht recht, daß man ihn gleich bei seiner Ankunft in London entdeckt hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, die beiden Männer zu töten.
Bestimmt hatten sie jetzt nichts Eiligeres zu tun, als Alarm zu schlagen,
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