084 - Medusenblick
angehören. Ob sie nun gesündigt haben oder nicht. Es gibt nichts, was sich nicht geradebiegen ließe.«
»Das glaube ich Ihnen bei der Kraft, die Ihnen zur Verfügung steht und die Sie sich nicht anzuwenden scheuen, gern.«
»Wenn Sie erlauben, möchte ich noch einmal auf Tony Ballard zurückkommen«, lenkte Pater Severin ein. »Kürzlich kämpften wir gegen einen schrecklichen Dämon namens Alcarrax. Der Höllenfeind hätte um ein Haar Mr. Silver vernichtet. Tony Ballard hätte es verhindern können, aber er hat es nicht getan. Er stand einfach nur da. Wenn ich nicht eingegriffen hätte, wäre sein Freund verloren gewesen. Zum ersten Mal hat Marbu unseren Freund beeinflußt. Gestern war's nur unterlassene Hilfeleistung, morgen kann es schon mehr sein. Das Marbu-Gift ist stark und unberechenbar. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, es aus Tony Ballards Körper zu vertreiben, aber ich muß es schaffen, ein Fortschreiten der Vergiftung zu verhindern. Auch das wäre schon ein Erfolg.«
»Sie sind diesem Tony Ballard sehr zugetan, wie mir scheint.«
»Ich liebe ihn wie meinen Bruder, Exzellenz«, sagte Pater Severin. »Um ihn zu retten, würde ich sogar in die Hölle gehen und mit dem Teufel persönlich kämpfen.«
»Und Ihre Aussichten, zu siegen, wären nicht einmal so schlecht«, sagte der Vorgesetzte des Priesters milde lächelnd.
Und dann erteilte er Pater Severin die Erlaubnis, den Exorzismus an seinem Freund Tony Ballard vorzunehmen. Er stellte nur eine einzige Bedingung: Die Sache sollte nicht an die Öffentlichkeit gelangen.
Das war in Pater Severins Sinn.
***
Aber wenn auch die Öffentlichkeit nicht von der Teufelsaustreibung erfuhr - ein anderer bekam Wind von der Sache - Asmodis! Tony Ballard gehörte schon so gut wie der Hölle. Da sollte sich kein Exorzist einmischen und die schwarze Entwicklung aufhalten oder gar zunichte machen.
Der Fürst der Finsternis wollte sich nicht persönlich darum kümmern. Es gab genug andere Dinge für ihn zu tun. Das unruhige Höllengefüge zu beherrschen und zu regieren, war nicht einfach.
Es gab immer wieder Dämonen, die heimlich gegen ihn intrigierten und ihm seinen Platz streitig machen wollten. Eine Revolution war jederzeit möglich, deshalb mußte Asmodis auf der Hut sein.
Auch das Machtstreben von Atax, der Seele des Teufels, war ihm ein Dorn im Auge, denn dieser Dämon wollte so etwas wie ein schwarzer Gott werden. Da er das allein allerdings nicht schaffen konnte, war er unermüdlich auf der Suche nach Verbündeten, und in diesem Zusammenhang sah es selbst Asmodis als Segen an, daß die Höllenstreiter untereinander zumeist zerstritten, in vielen Fällen aber zumindest uneinig waren, denn das erschwerte es Atax, seine Machtgelüste zu befriedigen. Und selbst wenn er Verbündete fand, bedeutete das noch lange nicht, daß sie dies für alle Zeiten blieben. Sie konnten sich jederzeit wieder von ihm abkehren oder sich sogar gegen ihn wenden.
Das Machtgefüge der Hölle war ständig in Bewegung - und es gab nicht nur Atax, der nach oben kommen wollte.
Viele Gestalten konnte Asmodis annehmen. Diesmal erschien er als Feuerstreifen am schwarzen Himmel, und er war zu Phorkys, dem Vater der Ungeheuer, unterwegs…
***
Wo immer die schwarze Macht Phorkys einsetzte, meisterte er die ihm gestellten Aufgaben mit großer Zuverlässigkeit. Deshalb hatte ihn die Hölle vor geraumer Zeit von der Erde abgezogen und in anderen Dimensionen verwendet.
Ihm war es gleichgültig, wo er seine Ungeheuer schuf. Jede Welt war ihm recht. Überall verbreiteten seine Wesen Angst und Schrecken.
Ein goldener Himmel spannte sich über ihm. Er stand vor einem Haus, das einem Iglu glich, und wartete auf Asmodis' Eintreffen.
Angeblich hatte der Höllenfürst einen sehr wichtigen Auftrag für ihn. Phorkys war gespannt, was es war.
Grauenerregend sah er aus. Von jedem Wesen, das er je geschaffen hatte, trug er selbst etwas an sich: die geschuppte Haut des Drachens, die Zähne des Ghouls, die Schnauze des Werwolfs, das Schlangenhaar der Gorgonen, die Krallen des Wertigers und so weiter.
Doch er bot nicht nur einen abscheulichen Anblick, er verströmte auch einen bestialischen Atem. An seinem warzenübersäten, schleimglänzenden Kinn, das sich unter der Wolfsschnauze befand, zitterte ein dünner Vollbart, und in seinen Augen züngelten rote Flammen.
Ein Zischen und Scharren lenkte ihn ab. Er wandte sich um und erblickte eine echsenhafte Gestalt. So sahen die Wesen aus, die diese
Weitere Kostenlose Bücher