084 - Medusenblick
kriegerischen Amazone werden.
Ich hatte mir mit ihrer Ausbildung sehr viel Mühe gegeben, um sie gegen schwarze Attacken zu wappnen, und meine gelehrige Schülerin hatte bewiesen, daß sie in solchen Situationen mutig ihren »Mann« zu stellen verstand.
»Ich muß gehen«, sagte ich.
Vicky umarmte mich. »Ich drücke dir die Daumen, Tony.«
»Mach dir keine Sorgen. Unkraut vergeht nicht.«
»Wenn man ihm mit einem Unkrautvernichter zuleibe rückt, schon«, warf Mr. Silver ein.
Ich löste mich von meiner Freundin und wandte mich dem hünenhaften Ex-Dämon zu. »Hast du noch mehr so aufbauende Bemerkungen auf Lager?«
Er überging die Frage. »Soll ich dich begleiten?«
»Ist nicht nötig.«
»Ich will ja nicht unken, aber mir ist nicht ganz wohl bei der Sache. Ich werde die Befürchtung nicht los, daß etwas passieren könnte, womit keiner rechnet.«
»Du sagst, du willst nicht unken, tust es aber«, bemerkte ich. »Man hat wirklich seine liebe Not mit dir. Warum behältst du so etwas nicht für dich? Macht es dir Spaß, Vicky zu ängstigen?«
»Ich bin schon still.«
»Wie immer zu spät«, sagte ich und reichte dem Ex-Dämon die Hand. Er drückte sie so fest, als wollte er mir die Finger zerquetschen. »Paß gut auf Vicky und alle anderen auf.«
»Mach' ich, Tony. Du kannst dich auf mich verlassen.«
Ich grinste. »Wenn du jetzt meine Hand loslassen würdest, könnte ich gehen.«
»Ich könnte dich mit dem Wagen zu Pater Severin bringen«, sagte Mr. Silver, und seine Hand, die einem Schraubstock glich, öffnete sich.
»Um zwanzig Uhr sollte ich bei ihm sein, sagte Severin. Jetzt ist es halb acht. Ich möchte nicht zu früh dran sein. Außerdem tut es mir gut, das Stück zu Fuß zu gehen«, erwiderte ich und zählte demonstrativ meine Finger nach.
»Sind noch alle dran?« fragte der Hüne mit den Silberhaaren.
»Ja. Aber bei dir kann man nie wissen, was dir in den Sinn kommt«, gab ich lächelnd zurück.
»Du mußt mir einfach erhalten bleiben«, brummte der Ex-Dämon. »Mir würde dein freches Mundwerk fehlen.«
Ich machte es kurz, küßte Vicky zum Abschied und verließ mein Haus in der Chichester Road.
Punkt zwanzig Uhr traf ich bei Pater Severin ein. Er lobte meine Pünktlichkeit. »Nach dir kann man die Uhr stellen«, sagte er.
Dann führte er mich in einen düsteren Raum mit kahlen Wänden. Ich sah, daß er alles für den Exorzismus vorbereitet hatte. Viele heilige Gegenstände lagen bereit, und dicke alte Bücher lagen zum Teil aufgeschlagen auf dem Boden. In anderen steckten Lesezeichen aus Stoff oder Papier.
Auf schweren Messingständern steckten dicke weiße Kerzen, deren Dochte noch nicht angezündet waren, Zeichen und Symbole waren auf die langen Kerzenkörper gemalt, senkrecht angeordnet.
Hier also sollte die Teufelsaustreibung stattfinden. Ich lauschte in mich hinein. Was sagte Marbu zu dieser Umgebung und zu dem, was geplant war?
Ich fühlte mich irgendwie nicht wohl. Das mußte die Reaktion des schwarzen Gifts sein, das sich in meinem Inneren verkrallt hatte.
Würde es Pater Severin schaffen, es aus mir herauszureißen? Würde ich bei seinem Kampf gegen das Böse Schaden nehmen? Auch das war zu befürchten.
Der Priester musterte mich. »Nervös?«
»Ein bißchen.«
»Das kann ich verstehen. Ehrlich gesagt, meine Nerven vibrieren auch. Es steht viel auf dem Spiel.«
»Führst du den Exorzismus mit Erlaubnis des Ordinariats durch?«
Pater Severin nickte. »Es war nicht schwierig, sie zu bekommen.« Er lächelte. »Mein Vorgesetzter ist ein weiser Mann. Er weiß, daß ich mich über sein Nein hinweggesetzt hätte. Deshalb sagte er lieber gleich ja.«
»Er kann froh sein, daß ihm nur ein Priester von deiner Sorte untersteht. Mehrere würde er wohl kaum verkraften.«
Der große Mann in der Soutane bleckte sein kräftiges Pferdegebiß. »Bin ich wirklich so unmöglich?«
»Unmöglicher geht es gar nicht mehr, aber gerade darin besteht ja deine Einmaligkeit.«
Severin sprach über seine Vorbereitungen, und er machte mich mit der Art und Weise vertraut, wie er vorzugehen gedachte. Ich erfuhr von einem Exorzismus, den ein gewisser Josephus Flavius beschrieben hatte. Ein Mann namens Eleazar sollte in Gegenwart eines anderen Mannes namens Vespasian und dessen Sohnes Titus vielen Personen, die von einem Marbu-ähnlichen Geist besessen gewesen waren, glücklich geholfen haben. Er hatte einen Siegelring unter die Nase der Besessenen gehalten, in dem eine bestimmte Wurzel
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