0842 - Teufels-Schönheit
ab. Unter dem dünnen Stoff fühlte sie ihre Brüste, den flachen Bauch, die Schenkel, die nicht zu dick waren. Da brannte nichts, die Haut war noch in Ordnung.
Nur nicht das Gesicht!
War es übersät mit Pusteln, mit Pickeln, aus denen Eiter floß?
Fragen, auf die ihr erst der Spiegel eine Antwort geben konnte, und der nächste befand sich im Bad.
Dort würde sie alles sehen, wirklich alles. Auch wenn sie dann bis in die Grundfesten erschrak.
Mit den Schritten einer erschöpften Frau näherte sie sich der Verbindungstür, die geschlossen war.
Die Sonne des frühen Tages hielt sich noch versteckt. Zwar brodelte in den Straßen der Millionenstadt schon der Morgenverkehr, doch die Dämmerung hatte die Nacht noch nicht vertreiben können. Das Fenster ihres Schlafzimmers sah die Frau wie einen grauen viereckigen Schatten auf der Wand. Sie hatte die Tür erreicht und legte die Hand auf die Klinke. Jetzt, vor dem entscheidenden Schritt, spürte sie das Brennen im Gesicht wieder deutlicher, als wären zahlreiche Äderchen geplatzt.
Mandy Rice wußte nicht, wie sie den Horror verkraften würde, wenn sie sich selbst sah. Sie hoffte nur, daß sie ihn verkraftete und nicht auf der Stelle zusammenbrach.
Endlich gelang es ihr, die Tür zu öffnen. Sie hatte sich zuvor schwer auf die Klinke gestemmt, drückte die Tür nun nach innen und wäre beinahe noch gestolpert.
Mühsam hielt sich die Frau auf den Beinen. Das Bad war dunkel. Der übliche Geruch ihrer Kosmetika lag in der Luft. Der Spiegel glänzte matt im Grau der Dunkelheit. Er schien sie bereits höhnisch begrüßen zu wollen.
Sie setzte ihren Weg fort.
Mühsame Schritte, ein verzerrter Mund in einem ebenso verzerrten Gesicht.
Hinter ihrer Stirn hämmerte es. Das Blut rauschte wie ein gewaltiger Wasserfall. Trotz der Hitze war ihr kalt geworden. Aber sie überwand sich selbst, drehte sich zur Seite und schlug auf beide Lichtschalter zugleich.
Die Lampe an der Decke wurde hell.
Gleichzeitig auch die beiden Leuchten, die den breiten Spiegel flankierten.
Sie sah sich. Nein, sie sah sich nicht, denn sie hatte die Hände vor ihr Gesicht geschlagen und ging geduckt auf den Spiegel zu, bis sie gegen den Rand des Waschbeckens stieß.
Erst dieses Hindernis hielt sie auf.
Noch hielt Mandy die Hände gegen ihr Gesicht gepreßt, sie wartete einige Sekunden, zählte in Gedanken mit, und das Absinken der Arme wurde von einem schweren Stöhnen begleitet.
Freie Sicht!
Sie schaute in den Spiegel!
Und dann schrie sie.
Ja, sie schrie, sie strengte sich dabei an, es brach aus ihr hervor, wie noch nie ein Schrei über ihre Lippen gedrungen war. Es war ein Schrei des Entsetzens, der Angst, des Grauens, wie auch immer, und als -zigfaches Echo zitterte er über die gefliesten Wände.
Sie sah sich.
Nein, das war nicht sie!
Das war eine andere, eine fremde Frau. Trotzdem war ihr das Gesicht bekannt. Aus dem Spiegel schaute sie Della Streep an!
Wenn jemals für eine Frau eine Welt zusammengebrochen war, in der sie sich bisher wohl gefühlt hatte, dann geschah es in diesen schrecklichen Augenblicken bei Mandy Rice.
Der Spiegel log nicht.
Der Spiegel war brutal. Er zeigte jedes Fältchen, jede schlaffe Hautpartie. Mandy hatte den Eindruck, nicht mehr atmen zu können, obwohl ihr Mund dabei weit offen stand.
WIESO?
Diese Frage quälte sie. Dieses eine Wort wühlte sie so schrecklich auf, und sie war einfach nicht in der Lage, eine Antwort darauf zu geben. Sie starrte sich an, nein, das war sie nicht, aber der Spiegel blieb nicht mehr glatt. Er warf plötzlich Wellen, er drehte und veränderte sich, wobei Mandy nicht mal bemerkte, daß sie es war, die in diesen anderen Zustand hineingeglitten war.
Zwar stützte sie sich auf dem Rand des Waschbeckens ab, doch ihre Kraft ließ langsam nach, und sie sank dabei mehr und mehr zusammen. So drehte sie sich dem Boden entgegen, wo sie auf der Seite liegenblieb. Sie hörte sich weinen, und sie wünschte sich weit, weit weg, aber niemand war da, der ihr diesen Gefallen tat.
So blieb sie liegen, und die Kälte des Bodens drang durch den dünnen Stoff.
Irgendwann stand sie auf. Die Heizung war angesprungen. Erste Wärmewellen erwischten sie, und Mandy mußte sich bei dieser Bewegung abermals am Waschbecken abstützen.
Ihr war schlecht, übel. Der Magen revoltierte, er wanderte. Mal befand er sich in der Kehle, mal drückte er sich in seine alte Richtung, und als sie endlich auf den Beinen stand, hatte sie das Gefühl, Karussell zu
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