0842 - Teufels-Schönheit
Gesicht befand sich genau am Rand des Kerzenscheins, und sie konnte Einzelheiten ausmachen.
Die grauen Haare, die ziemlich platt und dabei leicht geringelt auf seinem Kopf wuchsen. Sie sah die hohe Stirn, die Falte zwischen den Augenbrauen, wo die Nase begann, die sehr kräftig und auch leicht gebogen nach unten zeigte. Augen, die leicht vorstanden und immer so wirkten, als wären sie weit geöffnet. Der Mund stand ebenfalls offen. Die Zähne wirkten, als wären sie zusammengewachsen. Das Kinn sprang vor, es war vergleichbar mit einem kleinen Felsbrocken.
Darunter begann der Hals mit seiner dünnen und faltigen Haut. Viel war an dieser Stelle von seiner Kleidung nicht zu sehen, denn der Kragen war hochgestellt worden. Er gehörte zu einem langen, ziemlich weit geschnittenen Mantel von dunkler Farbe, der in der Mitte von einem Gürtel gehalten wurde.
Ja, das war er.
Und er lächelte auf sie nieder.
Della lächelte zurück. Ihre Augen strahlten. Es war ein Glanz, der eigentlich nur bei verliebten Menschen auftrat und bei dem Mann Signale setzen sollte.
Er ging weiter.
Bis zu ihrem Platz waren es nur zwei Schritte. Dann blieb er stehen, hob seinen Arm leicht an und streckte die Hand aus. Seidenweich fuhr er damit über ihre Stirn.
»Wie geht es dir?« fragte er flüsternd.
»Ich warte.«
»Das ist gut.«
»Ich bin so erregt.«
Er nickte. »Das weiß ich. Es ist auch für dich ein wichtiger Schritt, glaub mir.«
»Und du hast alles dabei, Romanow?«
Zum erstenmal hatte sie seinen Namen ausgesprochen, und er war ihr glatt über die Lippen gekommen. Ein fremder Name, ein geheimnisvoller Name, verbunden mit dem Flair des Ostens. Niemand wußte, wo dieser Romanow herkam, zumindest war es Della Streep nicht bekannt, aber sie vertraute ihm, und nur das allein zählte. Alles andere war unwichtig. Vollstes Vertrauen.
Romanow schaute auf sie nieder.
Wieder streichelte er ihre Stirn.
Die Kerzen verströmten ihr Licht. Della spürte ihre Wärme wie einen Schleier, der sich auf ihr Gesicht gelegt hatte. Sie hätte am liebsten die Augen geschlossen, aber sie wollte letztendlich sehen, was geschah, und so wartete sie voller Spannung.
Er streichelte sie noch immer, und sie fand es als sehr beruhigend, seine Hand zu spüren. Sie war wie ein warmes Tuch, das ihr ebenfalls etwas von seiner Wärme mitgab, die sich auf ihrem Gesicht verteilte und sie beruhigte.
»Ich bin gekommen, Della. Ich werde von nun an immer bei dir sein, meine Liebe. Ich werde dich nicht mehr aus den Augen lassen, und ich werde dir das geben, was du willst.«
»Die Schönheit?«
»Ja.«
Sie war plötzlich aufgeregt, obwohl sie weiterhin starr liegenblieb. »Wie lange werde ich sie behalten können?« fragte sie flüsternd. »Wie lange wird meine Schönheit anhalten?«
»Sehr, sehr lange«, sagte er. »Sie wird immer bleiben. Sie wird an dir kleben, sie wird dich nicht mehr verlassen wollen, denn was ich mache, ist endgültig.«
»Ich hoffe es«, hauchte sie.
»Du bist bereit?«
»Ich warte schon lange.«
»Gut, dann werde ich dir den Gefallen tun. Du wirst das ernten, was ein anderer vor langen Jahren gesät hat.«
Die Erklärung war für Della zu weit hergeholt. »Ernten?« flüsterte sie. »Was soll und was werde ich ernten?«
»Ein Rätsel, ein Geheimnis. Eben das Geheimnis der Schönheit, hinter dem viele Menschen her sind.«
»Ich warte.«
Er nickte. »Nicht mehr lange.«
Romanow hatte nicht gelogen, denn er begann damit, seine Worte in die Tat umzusetzen. Mit der rechten Hand griff er in den kargen Ausschnitt seines Mantels. Die Hand verschwand, ein Teil des Arms ebenfalls, und die Liegende wartete voller Spannung darauf, was nun passieren würde.
Der Mann ließ sich Zeit. Er stand neben ihr und hatte sich vorgebeugt, so daß sein Oberkörper den Platz zwischen Della und dem Kerzenlicht einnahm.
Es machte ihn zu einen Schatten, der sich wie die Schwinge eines Raubtieres über ihr Gesicht legte und auch den oberen Teil des Oberkörpers nicht ausließ.
Noch immer schielte Della hoch. Noch immer schlug ihr Herz so überkräftig. Sie empfand das Gesicht des Fremden als faszinierend und attraktiv zugleich. Die Augen hatten einen anderen Ausdruck bekommen. Wenn Augen die Spiegel der Seele sind, so mußte dieser Mann eine düstere Seele haben, denn seine Pupillen waren dunkel, und nicht mal das Licht der Kerzen funkelte in ihnen.
Er streckte den linken Arm aus und legte seine Hand auf ihre Brust. Nur die dünne Decke schuf eine
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