0844 - Tödliches Amsterdam
auch in die Tiefe. Da er rücklings gefallen war, gelang ihm zuvor noch ein letzter Blick auf das Boot, das bereits von dieser Kreatur besetzt war.
Es war ihm egal. Er wollte weg und so schnell wie möglich das rettende Ufer erreichen.
Unter Wasser drehte er sich um, damit er in eine Bauchlage geriet und durch Kraulbewegungen weiterkam.
Die Brühe war ihm in den Mund gedrungen, in die Augen, in die Nase und die Ohren. Das alles machte ihm nichts aus, denn es ging einzig und allein darum, das Leben zu retten. Wenn nur nicht der verdammte Mantel gewesen wäre, der an ihm hing wie ein Zelt aus Eisen und ihn in die Tiefe zerrte. Er war einfach zu schwer, und die Zeit, sich von ihm zu befreien, hatte van Steen nicht.
Er schwamm um sein Leben. Trotz seiner miesen Lage huschten die Gedanken durch seinen Kopf. Er wußte, daß es dem Engländer Gerry Olmian nicht anders ergangen war. Auch er mußte auf diese Art und Weise seine Flucht versucht haben, ihn aber hatte das Monstrum erwischt.
Van Steen tauchte auf. Endlich konnte er nach Luft schnappen. Endlich hatte er das Gewicht des Mantels überwunden, endlich sah er wieder normal, wenn auch verschwommen, doch Ric erkannte vor sich den hoben Schatten. Es war die dunkle Bordwand eines am Ufer liegenden Kahns, aber war es auch seine Rettung?
Wieder kriegte er eine nahezu höllische Furcht, denn die Bordwand war verdammt hoch.
Zu hoch?
Um in Sicherheit zu kommen, mußte er an ihr in die Höhe klettern, aber er war keine Katze und hatte auch nicht die Krallen des Monsters, mit denen er sich hätte festklammern können. Noch stand nicht fest, daß er diesem Grauen würde entkommen können, noch hielt das verdammte Monstrum die Trümpfe in der Hand.
Auch ohne sich zu drehen, wußte der Kommissar genau, daß es sich noch hinter ihm befand. Es würde nicht aufgeben, es war nicht seine Art, es gehorchte dem Trieb, denn es brauchte Blut und Fleisch. Beides hatte es sich von dem Engländer geholt, und nun stand Ric van Steen auf der blutigen Liste.
Er streckte sich noch einmal. Er ärgerte sich, weil er nicht so rasch vorankam, wie er es sich vorgestellt hatte. Der Mantel war einfach zu schwer. Er hörte sich auch selbst schreien, oder war es schon ein Weinen? Der Kommissar wußte es nicht, er zuckte nur zusammen, als er nach einem weiteren Kraulstoß mit der rechten Handfläche gegen die rauhe Bordwand des Kahns hämmerte.
In seine Hoffnung stach das Messer der Angst. Er trat Wasser, er hatte den Kopf weit zurück in den Nacken gedrückt, weil er die Reling sehen wollte.
Sie war da, aber sie war so fern!
Er hätte schon aus dem Wasser in die Höhe jagen müssen, um sie zu erreichen, doch die Kraft reichte nicht. Das Gewicht des schweren Mantels konnte er einfach nicht überwinden.
Und hinter ihm schwamm das Monster.
Er hörte es. Es nahm keine Rücksicht mehr, es glitt dicht unter der Wasseroberfläche dahin. Seine knorrigen Arme mußten die Flüssigkeit durchpflügen, und van Steen wartete nur auf den Augenblick, in dem die Knochenhand in seinen Rücken hämmerte.
Da hörte er die Stimme über sich. »He, Kommissar, he Ric! Aufgepaßt, verdammt!«
Er stierte hoch!
Eine riesige Schneeflocke schien dort zu hocken. Aber das war keine Flocke, sondern eine Frau, die einen weißen Mantel trug, und ihre grellrot geschminkten Mund dermaßen stark verzerrt hatte, daß er wie eine offene Wunde wirkte.
Sie warf ihm was entgegen.
Es klatschte auf seinen Kopf, und es war ein Rettungsring mit einer Leine daran.
Van Steen handelte reflexartig und instinktiv. Schon jetzt war er Fanny, dem Liebesmädchen im weißen Mantel, so unendlich dankbar, auch wenn er der eigentlichen Gefahr noch nicht entronnen war, denn er mußte immer noch schnell sein.
Aber Fanny half ihm dabei. Sie zerrte an dem Seil. Sie hatte auch Hilfe erhalten. Während der Kommissar mithalf und sich an der Bordwand abstützte, sah er neben Fannys Gesicht das eines jungen Mannes mit langen, dunklen Haaren.
Van Steen kämpfte sich hoch. Mit den Fußspitzen versuchte er an der etwas aufgerauten Bordwand Halt zu finden, was er kaum schaffte, denn er rutschte immer wieder ab. Einmal drehte er den Kopf und senkte ihn gleichzeitig, um zurückzuschauen.
Er sah das Monster.
Es hatte den Kahn ebenfalls erreicht, und es wollte auch weiterhin nicht aufgeben, denn kraftvoll wuchtete es seinen Oberkörper aus den Fluten hervor und streckte gleichzeitig die Arme aus, die Krallenfinger dabei gestreckt.
Beide Hände schlugen
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