0844 - Tödliches Amsterdam
ins Warme wollte ich nicht. Die paar Minuten bis zum Eintreffen unserer niederländischen Kollegen konnte ich noch draußen warten. Suko blieb ebenfalls bei mir. Nicht der Bootsführer. Der war wieder an seinen Piatz gegangen und versuchte von dort, die Fahrgäste zu beruhigen.
»Es ist also wahr«, sagte ich.
»Was ist wahr?«
»Daß es sie gibt.«
Suko hob die Schultern. »Mal ehrlich, John, hast du denn daran gezweifelt?«
»Ich hab' auf einen Irrtum gehofft.«
»Unser Pech.«
Hinter uns lag ein weiteres Boot. Es kam nicht vorbei, und es würde sich gedulden müssen, bis die Polizei uns von Bord gepflückt hatte. Von der anderen Seite der Gracht her erreichte mich ein Ruf.
»Sinclair, John Sinclair!«
Soeben noch konnte ich über das Glasdach hinwegblicken. Auf dem Deck eines Kahns stand ein Mann und winkte mit beiden Armen. »Sind Sie John Sinclair?«
»Ja.«
»Ich bin Kommissar van Steen.«
Nun begriff ich nichts mehr.
***
Eric van Steen hatte zugeschaut, und auch Fanny hatte ihren Vorsatz vergessen, den Kommissar in dieser dumpfen Wärme unter Deck zu verführen, denn was sich ihnen auf dem Deck und dem Dach des Ausflugsbootes geboten hatte, war spannender als ein Film gewesen.
Da kämpften zwei Männer gegen dieses Mordwesen, und sie hatten es geschafft, dieses wahr gewordene Grauen zu vernichten. Beide schwiegen, und sie redeten erst, als die Überreste im schmutzigen Wasser des Kanals verschwunden waren.
»Das ist unmöglich!« hauchte Fanny.
Van Steen sagte nichts. Obwohl er nur die Decke trug und ansonsten nackt war, schwitzte er, was nicht allein an der Wärme lag, denn als Zuschauer hatte er sich ebenfalls aufgeregt, und nur allmählich fügte er Stein für Stein zu einem Puzzle zusammen, denn erst dann konnte er sich ein Bild machen.
Er überlegte, kombinierte, und ihm kam die Idee, daß der blonde Mann auf dem Ausflugsboot John Sinclair sein mußte. Er erwartete ihn, und Sinclair war sicherlich schon mit Informationen bestückt worden.
Jedenfalls hatten er und sein Begleiter es geschafft, das Monstrum zu vernichten.
Tief atmete er ein. »Fanny, ich muß hier raus. Ich muß zu den anderen beiden.«
»Aber das geht doch nicht. Du holst dir den Tod, wenn du jetzt verschwindest.«
»Egal, ich muß.«
»Deine Sachen sind noch feucht.«
»Das weiß ich selbst.« Er drehte sich um, die Decke rutschte von seinem Körper, dann griff er nach der Unterwäsche und streifte sie über. Er verzog das Gesicht, sie war tatsächlich noch feucht.
»Wer sind denn die beiden Männer?«
Van Steen griff nach seinem Hemd. Die Krawatte ließ er liegen, man konnte sie wegwerfen. »Kollegen aus England, nehme ich an.«
»Wieso? Was wollen die hier?«
»Mir helfen, denke ich.« Er hustete und nieste zugleich. »Das haben sie schon getan, denke ich.«
»Scheint mir auch so.« Fanny trat wieder an das schmale Fenster heran und schaute nach draußen.
Der Kommissar zog sich an. Es waren feuchte Lappen, die er überstreifte.
Besonders schwer an ihm hing der blaue Mantel, der seine Form völlig verloren hatte. Den weißen Schal stopfte van Steen in die rechte Manteltasche.
Auch die Schuhe hatte er angezogen. Seine Socken schienen in den feuchten Höhlen zu kleben.
»Die fahren nicht weiter«, meldete Fanny.
»Das denke ich auch. Wahrscheinlich hat der Steuermann über Funk die Kollegen herbeigerufen. Ich werde da wohl einiges richten können.« Er drehte sich und schaute Fanny lächelnd an, deren Augen einen etwas traurigen Ausdruck bekommen hatten.
»Schade«, sagte sie.
»Was ist schade?«
Sie schüttelte den Kopf und schaute zu Boden. »Egal, Kommissar, vergiß es.«
»Nein, ich vergesse nicht, was ich dir zu verdanken habe, Fanny. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Ich bin doch nur eine Nutte.«
»Hör auf, so zu reden.«
»Stimmt es denn nicht?«
»Im Prinzip schon. Aber habe ich dich das jemals spüren lassen? Sei ehrlich.«
»Nein, das hast du nicht.«
»Und deshalb habe ich dich auch aus dem Wasser gezogen, du Bulle, du.« Sie umarmte van Steen und küßte ihn sogar. »Wer immer diese Killer oder diese Wesen auch sind, holt sie euch, sonst wird aus Amsterdam eine Stadt der Angst werden.«
»Keine Sorge, wir tun unser Bestes…«
***
Kommissar Ric van Steen hatte die Dinge mit den Kollegen der Wasserpolizei geregelt und uns dabei herausgelassen. Seine Worte hatten Gewicht, und er schaffte es sogar, den Chef so unter Druck zu setzen, daß er von unseren Zeugenaussagen absah.
Das
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