0845 - In der Gewalt der Shariden
Blonden der Tod ihrer Schlange nicht lange verborgen bleiben.
Das Geräusch hastiger Schritte raubte ihr alle Illusionen. Zum Fliehen war es längst viel zu spät.
»Du hast meinen Diener vernichtet«, sagte die Unbekannte und richtete die Spitze ihres Schwertes auf Sharitas Kopfregion.
Sharita schloss mit dem Leben ab.
Sie war bereit zu sterben, aber es ärgerte sie maßlos, dass ihr Gegner nicht den geringsten Schaden davongetragen hatte. Die Sharidin hatte sich überrumpeln lassen wie ein Tölpel.
Sie entschuldigte es vor sich selbst damit, dass sie völlig ermüdet war. Das ständige Sterben ihres Volkes, die allgegenwärtige Gefahr, die Demütigung, der letzte Abschaum der Hölle zu sein…
»Tu es!«, schrie sie die Unbekannte an. »Töte mich!«
Die Lippen der Frau verzogen sich spöttisch. Sie atmete tief ein. Der steinerne Schlangenschmuck knackte, als sich die Brüste hoben. »Du willst sterben? Du hast Angst vor meinem Schwert?«
Die Klinge bohrte sich durch die obersten Schleimschichten. Hitze ging von der winzigen Verletzung aus, und ein graues Pulver rieselte hinab.
Sharita ignorierte den Schmerz. »Ich spüre die magische Kraft, die von deiner Waffe ausgeht. Du kannst mich damit vernichten. Warum zögerst du? Macht es dir keinen Spaß, eine wehrlose Vogelfreie hinzurichten?«
»Der Spott steht dir nicht gut.« Ihre Peinigerin lachte und stieß ein lautes Zischeln aus. Für einen kurzen Augenblick glaubte Sharita, eine gespaltene Zunge vor den vollen Lippen pendeln zu sehen.
»Du rufst deine Schlangen?«
»Du hast eine von ihnen getötet. Sie sollen entscheiden, welche Strafe diesem Vergehen angemessen ist!«
Sharita rechnete sich die Chancen für einen Überraschungsangriff aus. Konnte sie schnell genug sein, wenn sie mit einem Tentakel den Waffenarm ihrer Gegnerin packte und ihn zur Seite bog? Oder würde die Blonde es noch schaffen zuzustoßen? »Warum diese Farce? Du wirst mich ohnehin töten, genau wie du Shagur abgeschlachtet hast!«
»Es kommt darauf an.« In den Worten lag etwas Lauerndes. »Ich bin nicht in die Hölle vorgestoßen, um Jagd auf Shariden zu machen.«
»Sondern?«
Die Schlangenfrau ging nicht darauf ein. »Was glaubst du, wer ich bin?«
»Optisch gleichst du einer Menschenfrau. Doch deine Zunge und die Tatsache, dass du mit den Schlangen redest, zeigen, dass mehr in dir steckt, als es den Anschein hat. Du verstehst es, mit Magie umzugehen. Du bist mehr als nur ein Mensch. Außerdem…«
»Außerdem was?«
»Irgendetwas ist darüber hinaus noch anders an dir. Ich… ich glaube nicht, dass du wirklich eine Frau bist.«
Die Blonde lächelte. Eines der Schlangentiere glitt über ihren Rücken und wand sich sanft um ihren Hals. »Du hast einen größeren Verstand als deine Artgenossen. Du musst nicht sterben. Du kannst dich freikaufen.«
»Nimm die Klinge weg«, forderte Sharita kühn.
Zu ihrer-Verblüffung gehorchte die Unbekannte. »Nenn mich Earga. Und wage es nicht, mich anzugreifen. Der Biss meiner Schlangen ist auch für dich tödlich. Du könntest nicht gegen alle von ihnen bestehen.«
Die Vorderleiber von mindestens zehn Schlangen richteten sich gleichzeitig auf. Die Drohung war unmissverständlich.
Sharita hatte nicht bemerkt, dass so viele Tiere herbeigekrochen waren. »Ich habe verstanden.« Auch sie nannte ihren Namen. »Was verlangst du als Gegenleistung dafür, dass du mich am Leben lässt?«
»Ich suche Kelvo.« Farga rammte die Spitze des Schwertes in den Boden. Klinge und Griff zitterten neben ihren nackten Oberschenkeln.
Sharita verstand augenblicklich, was die Schlangenfrau mit dieser Geste sagen wollte. Der Sharidin blieben nur zwei Alternativen. Entweder sie starb, oder sie verriet ihren Meister. Sie musste Zeit gewinnen, um die Konsequenzen abzuwägen. »Warum?«
»Das geht dich nichts an.« Eargas Augen verengten sich, und waren die Pupillen mit einem Mal nicht länglich? Blitzten sie nicht plötzlich in dunklem Gelb?
»Ich weiß, in welchem Zwiespalt du stehst«, fuhr die Schlangenfrau fort. »Du fragst dich, ob du deinem Herrn die Treue halten musst. Ich stelle dir jedoch eine andere Frage: Reicht deine Treue zu Kelvo bis in den Tod?«
***
»Du hast also schon einmal vor genau derselben Entscheidung gestanden wie heute«, unterbrach Professor Zamorra die Erzählung.
Die Sharidin antwortete ohne zu zögern. »Farga verlangte von mir, ihr den Weg zu Kelvo zu zeigen. Genau wie ihr es fordert.«
»Farga«, sagte Sid Amos
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