0846 - Im Namen des Leibhaftigen
Bulle.«
Wortlos wandte sich der G-man ab und ging hinter dem Wächter her. Dessen breite Schultern pendelten vor seinem Gesicht. Dieser Mann hätte in jedem Boxring eine gute Figur gemacht.
»Sie können allein hochfahren, man hat Sie schon angemeldet, G-man.«
»Danke.«
Der Wächter hatte die Hände in die Seiten gestemmt. Sein Kollege hockte auf dem Stuhl und trank eine Flasche Milch. Er kümmerte sich um nichts. »Ich hoffe, wir sehen uns nicht wieder.«
»Das kann ich Ihnen nicht versprechen.« Abe zwinkerte ihm zu. »Und viel Spaß noch. Tollen Job haben Sie hier, wirklich.« Er zog die Tür auf und betrat die breite Kabine. Daß ihm das Wort »Arschloch« nachgerufen wurde, störte ihn nicht.
Oben grinste ihn Gulda an. »Habe schon gehört, daß es leichten Ärger gab.«
»Wieso das?«
»Unsere Mieter sind unruhig geworden.«
»Es lag nicht an mir.«
»Aha.« Gulda glaubte ihm kein Wort. »Sagen Sie, werden Sie noch einmal wiederkommen? Oder haben Sie erreicht, was Sie wollten?«
»Sie müssen damit rechnen, mich noch einmal zu sehen.«
»Sagen Sie mir früh genug Bescheid, damit ich mir dann Urlaub nehmen kann.«
»Klar, ich schreibe es mir auf. Und noch einen Rat möchte ich Ihnen geben, Mr. Gulda.«
»Ich bedanke mich schon jetzt.«
»Geben Sie acht auf meinen speziellen Freund.«
Gulda grinste breit und satt. »Warum? Haben Sie Angst, daß er uns entwischt?«
»So ist es.«
»Noch nie ist jemand aus diesem Bunker verschwunden. Keinem gelang je die Flucht.«
»Es gibt immer ein erstes Mal, Mr. Gulda.« Nach diesen Worten drehte sich der G-man ab und ging davon.
Er war froh, als er den Bunker von außen sah und auch den vertrauten Druck der Dienstwaffe wieder spürte. In diesem häßlichen Kasten mit seinen dicken Mauern konnte man nur Beklemmungen bekommen und depressiv werden.
Er stieg in seinen Wagen, fuhr aber noch nicht an. Im Innenspiegel schaute er sich sein Gesicht an.
Die Haut war von winzigen Schweißtropfen bedeckt, der Glanz in den Augen gefiel ihm auch nicht.
Er wirkte abgespannt und müde.
Der Grund hatte zwei Namen: Cabal und Shango!
Cabal war schlimm, das wußte er, das hatten sie erlebt. Doch was war mit Shango?
Er dachte an den toten Frank Orlando. Sicherlich hatte man seinen Körper schon gefunden. War er wirklich der Beginn einer länger andauernden Mordserie.
Abe Douglas hoffte es nicht. Er hatte Hilfe angefordert. John Sinclair und Suko würden nach New York kommen. Vielleicht schafften sie es dann gemeinsam, den Killer zu erwischen.
Aber wie, zum Henker, sollten sie jemand stellen, von dem sie nicht mal wußten, wie er aussah?
Auf diese Frage wußte der G-man keine Antwort.
***
Shango war in der Stadt!
Er war gekommen wie der Schatten der Dämmerung. Niemand hatte ihn gesehen, denn er verstand es, sich lautlos zu bewegen. Er kannte New York nicht, die Stadt war ihm fremd, denn seine Heimat war ein anderes Land, aber er bewegte sich mit der Sicherheit des Siegers, denn er wußte auch, wo er herzugehen hatte.
Kaum jemand hatte ihn gesehen. Er war nur in der Nacht gewandert, von einem finsteren Ort zum anderen. Er war auf der Suche nach einer Bleibe.
Einen Toten hatte er hinterlassen. Die Botschaft war gut gewesen, die ihm sein Bruder auf dem Weg der Gedankenübertragung mitgeteilt hatte. Aus der Zelle hervor und durch all die dicken Mauern hindurch war es ihnen gelungen, miteinander Kontakt aufzunehmen, und beide wußten, daß es nun weiterging.
Neue Opfer in einer anderen Stadt.
Der Götze würde sich freuen.
Shango sah so außergewöhnlich aus, daß er selbst in einer Stadt wie New York aufgefallen wäre, deshalb mußte er sich zurückhalten und die düsteren Ecken aufsuchen. Wenn er dann gesehen wurde, was auch passierte, dann glaubten viele an eine Täuschung, an ein Gespenst, das an ihnen vorbeigehuscht war.
Er suchte ein Versteck.
Wo fand er am ehesten eines?
Natürlich in der South Bronx, dem Elendsviertel von New York. Wo die Häuser den Namen nicht mehr verdienten und nichts anderes als ausgebrannte Ruinen waren. Sie boten dem lichtscheuen Gesindel gute Verstecke, und auch für Shango war es ideal.
Er hatte auch ein Haus gefunden.
Früher einmal mochte es mehrere Etagen gehabt haben, aber die obersten waren eingestürzt, und so konnte er sich nur in den beiden unteren bewegen.
Es machte ihm nichts aus, denn es war düster genug. Dunkelheit und Dämmerung, Schatten, die schwarz und blau aussahen, die ineinanderflossen und immer neue
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