0846 - Im Namen des Leibhaftigen
Farben und Schattierungen bildeten.
Die Treppe war noch vorhanden.
Es gab zwar kein Geländer, dafür konnte sich der Killer aussuchen, ob er nach oben oder nach unten gehen wollte. Er blieb in dem durch Schmutz übersäten Hausflur zunächst einmal stehen und lehnte seine Waffe gegen die Wand.
Es war eine besondere Waffe, die er aus seiner Heimat mitgebracht hatte. Eine Lanze, ein Speer, aus einem normalen Holzgriff hergestellt. Wichtig war aber die Spitze, die die Gestalt einer Flamme angenommen hatte.
Es war seine Waffe. Er ließ sie nie aus den Augen, denn sie war für ihn mehr als wichtig.
Er lauschte in das Haus hinein. Es war still und schien menschenleer zu sein, das aber stimmte nicht, denn Shango spürte das menschliche Leben.
Der vorstehende Mund mit den breiten Lippen zuckte. Die Augen erhellten sich, sie nahmen an Größe zu. Eine kräftige Hand griff nach dem Speer und nahm ihn von der Wand weg.
Dann ging er los.
Seine Schritte waren kaum zu hören, als er über die Treppe in den Keller schritt. Die Füße hatte er mit weichen Lappen umwickelt, denn normalerweise ging er barfuß. Götter brauchten keine Schuhe, und er sah sich als Gott an.
Auf der Treppe lagen Müll, Schutt und Mörtel. Es stank nach Urin, nach feuchtem Schimmel und nach kaltem Rauch. Für die South Bronx ein typischer Geruch.
Am Fuße der Treppe blieb Shango stehen. Langsam senkte er den rechten Arm nach unten, und die Waffe machte die Bewegung mit. Sie drehte sich so, wie er sich drehte, als wäre sie eine Sonde, die bestimmte Richtungen ausloten sollte.
Die Haut auf seinem Gesicht zuckte. Er schloß die freie Hand zur Faust und wußte Bescheid.
Drei Löcher weiter befand sich der Mensch!
Die Löcher waren früher einmal Türen gewesen. Man hatte sie herausgerissen oder abgebrannt.
Vom letzten zeugten dunkle Spuren an den grauen Wänden.
Er fand das Ziel und trat über die Schwelle mit einem langen Schritt. Ein seltsames Geräusch begrüßte ihn und ließ den Eintretenden für die nächsten Augenblicke erstarren. Das Geräusch hörte sich an wie das hüstelnde Röcheln eines Kranken.
Shango war in die Dunkelheit getreten. Der andere konnte ihn nicht sehen. Zu tief war der Schatten.
Doch Shango sah den anderen sehr wohl. Er hatte die Augen einer Katze, für die selbst die Dunkelheit kaum Probleme darstellte.
Shango ließ den Mann in Ruhe. Er stufte ihn als harmlos ein. Einer der zahlreichen Gestrandeten, die es hier in New York gab. Ein Mann ohne Ehre, der es nicht wert war, daß ihm sein Leben- genommen wurde. Shango hatte da seine eigenen Ehrenregeln verteilt.
Der andere aber war beunruhigt. Er wühlte sich unter seinen Decken hervor, blieb darauf knien und holte aus irgendeiner Tasche eine handbreite Lampe hervor.
Das Licht erfaßte Shango im Vorbeistreifen, kehrte dann wieder zurück, und der Eindringling ließ es geschehen. Er ließ sich ansehen und hörte einen erstickt klingenden Laut.
So etwas hatte der Berber noch nie in seinem Leben zu Gesicht bekommen. Das war unbeschreiblich, das war schon atemberaubend.
Eine dunkle Gestalt, beinahe nackt, sehnig und zäh, mit einer Haut, die schwarz, bläulich und zugleich grau schimmerte. Da mischten sich die Farben. Ein schmales Gesicht mit einer breiten Nase, einem großen Mund, bei dem die Zähne vorstanden. Eine hohe Stirn, Ringe in den Ohren, mit roten Streifen bemalte Wangen und einem fettig glänzenden Haar, das auf dem Kopf wuchs und in den Nacken hineinragte.
Auf dem Schädel befand sich noch etwas. Wie festgeschraubt wirkte der graue Totenschädel, den der Schwarze als makabre Mütze benutzte. Der Penner, selbst farbig, glaubte an einen Alptraum. Er sah auch die lange Waffe des Mannes, löschte das Licht, raffte im Dunkeln seine wenigen Habseligkeiten zusammen, sprach dabei Gebete, zitterte am gesamten Körper und stürmte aus seinem Versteck.
Shango ließ ihn laufen. Es brachte nichts, wenn er sich um diesen Mann auf seine Art kümmerte. Er war längst wieder in den Schatten zurückgetreten, und der Penner würde ihn sicherlich sehr bald vergessen haben.
Er war aus dem Haus gerannt, seine Schritte waren verhallt, während sich Shango in dem düsteren Kellerraum umschaute. Es war ein stinkendes Loch, mehr nicht. Überall klebte der Dreck, auch an den Wänden hatte er seine Spuren als schmutzige Streifen hinterlassen. Selbst die Decke sah aus wie ein altes Tuch.
Shango ließ sich nieder. Er bewegte sich, und es war kaum ein Laut zu hören. Geschmeidig
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