0846 - Im Namen des Leibhaftigen
Papierkorb. Er wollte das Zeug nicht mehr trinken und wußte zugleich, daß er dieses Versprechen nicht würde einhalten können. Ihn interessierten im Moment andere Dinge. Er hatte Hunger. Er würde in die Kantine gehen und etwas essen. Es war kein tolles Restaurant, doch oft hatte er dort beim Essen gute Einfälle.
Um diesen Fall zu lösen, war er auf Einfälle angewiesen. Auf blitzartige Ideen, die er dann in die Tat umsetzte, auch mal auf eigene Faust.
In der Kantine traf er einige Kollegen, die ihr Essen mehr oder weniger lustlos in sich hineinschaufelten. Sie grüßten ihn mit schlappen Bewegungen, und an manchen Gesichtern war das abzulesen, was die G-men oft genug erlebten.
Niederlagen, viel Dreck und Mist, menschlicher Müll, der hart machte, zumindest äußerlich, der im Innern jedoch nagte und zerstörte. Er zerstörte nicht nur den Menschen selbst, er hatte auch die Ehe so manches Kollegen vernichtet, und irgendwo waren sie alle Neurotiker, die Cops, die Agenten, die Polizisten. Dabei spielte es keine Rolle, für welche Firma sie arbeiteten.
Abe war nicht verheiratet. Zweimal hatte er einen Anlauf genommen, aber die Frauen waren schon vor der Ehe laufengegangen. Sie wollten Männer, die Zeit hatten, keine Automaten, die nur dem Dienst nachliefen und ihn als Braut ansahen.
Er brauchte sich nicht anzustellen. Der Salat war frisch, den er sich vom Büfett holte. Er garnierte ihn mit einem Dressing und griff noch nach einem Schinkentoast. Auf Kaffee verzichtete er, dafür trank er eine Flasche Wasser.
Er setzte sich nicht zu den anderen. Ein kleiner Tisch in der Ecke war noch frei. Abe stocherte im Salat herum, aß sehr langsam und ließ seine Gedanken wandern.
Es kam ihm selbst ungewöhnlich vor, daß er dabei über einen Namen stolperte. Immer wieder kam ihm der in den Sinn, und er hieß schlichtweg Shango.
Shango, der Rächer, der Ankommende. Der Töter, das Tier. Sein Erscheinen war angekündigt worden, und allein bei der geflüsterten Nennung seines Namens rann dem hartgesottenen G-man ein Schauer über den Rücken. Shango hörte sich an wie Tod und Vernichtung.
Und New York war so verdammt groß. Eine irre Stadt mit unzähligen Verstecken, ein Schmelztiegel der Nationen. Eine Stadt mit unzähligen Verstecken.
Shango würde kommen!
Als sich dieser Gedanke in seinem Kopf festsetzte, hatte Abe den Salat gegessen. Er griff zum Toast, biß zweimal hinein, schluckte, spülte mit Mineralwasser nach und legte die Scheibe zur Seite.
Er hatte plötzlich keinen Appetit mehr. Sein Magen meldete sich. Das Gefühl, hilflos zu sein, stieg brennend in ihm hoch. War etwas passiert? Hatte es bereits eine Tat gegeben?
Schweiß lag auf seiner Stirn. Er war kalt geworden, so kalt wie sein Gefühl.
Abe drehte sich. Er schaute in die Kantine hinein. Sein Blick war leer, die Augen bewegten sich kaum. Er wußte plötzlich, daß etwas passieren würde, und er hatte sich nicht geirrt.
Aus dem Lautsprecher drang die etwas kratzende Stimme eines Kollegen. Abe wurde gerufen.
Douglas stand auf.
Er straffte sich, und plötzlich schoß wieder der Name durch seinen Kopf.
Shango!
***
Zwei Obdachlose hatten, den Kopf des Mannes in einer Mülltonne gefunden. Er war dorthin geschafft worden, und die beiden Finder waren so entsetzt gewesen, daß sie auf dem direkten Weg zur Polizei gerannt waren, was sie sonst kaum taten, denn um ein Polizeigebäude machten sie stets einen großen Bogen.
Die Mülltonne stand in einem Hinterhof, der ein anderes Bild bekommen hatte als sonst. Es wimmelte von Polizisten, denn ein derartiger Fund bedeutete auch für New York eine kleine Sensation.
Wenn irgendein toter Fixer in der Mülltonne gesteckt hätte - nun ja, das war beinahe normal, aber der Kopf eines Menschen, das ging schon unter die Haut. Da wurden selbst abgebrühte New Yorker blaß.
Das Opfer hieß Frank Orlando und hatte zu den Geschworenen gehört, die das Urteil über einen gewissen Woorie Cabal gesprochen hatten. Aus diesem Grunde war auch Abe Douglas gerufen worden, und selbst Don Frazer, Abes Chef, hatte es sich nicht nehmen lassen, den Fundort zu besuchen.
Der Kopf war aus der Mülltonne entfernt worden. Er lag auf einer Plastikplane, um die einige Männer herumstanden, als Abe Douglas eintraf. Er wurde aufgefordert, sich den Schädel anzuschauen, und der hartgesottene G-man mußte schlucken.
Es war ein schreckliches, ein furchtbares Bild. Ein Stilleben des Grauens. Sein Magen meldete sich wieder, und er dachte
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