085 - Hexensabbat
gehörnten Ziegenkopf, einen Pferdefuß und
einen langen, dicken Schwanz, der nackt und fleischfarben war.
Es war der
leibhaftige Satan, der Teufel in all seiner Häßlichkeit.
Wie ein
Schemen blieb der unheimliche Besuch aus der Hölle kurze Zeit wahrnehmbar.
Ein
häßliches, abstoßendes Lachen wehte verloren durch den halbdunklen Keller, und
der Gestank von Schwefel verwehte.
●
»Jonny!
Jonny!«
Die Frau
richtete sich im Bett auf. Ihn; Augen waren vor Schreck und Angst weit
geöffnet.
Hell und
silbern fiel das Mondlicht durch die Ritzen der Vorhänge.
Helen Garison atmete schwer und fuhr sich mit einer fahrigen
Bewegung über die schweißnasse Stirn.
»Jonny«,
murmelte die junge Frau und schluchzte. Ihre schwarzen Haare hingen wirr in die
Stirn. Helen Garison strich sie nach hinten.
Sie lag
allein im Ehebett. Die Seite an Ihr war seit drei Monaten verwaist. Ihr Mann,
ein bekannter Fernsehreporter, war auf der Fahrt zu einer Reportage tödlich
verunglückt. Der Unfall hatte nie restlos geklärt werden können. Auf einer fast
unbefahrenen Straße war Frank Garisons Wagen
plötzlich ins Schleudern geraten. Ein hinter ihm fahrender Verkehrsteilnehmer
hatte das Drama miterlebt. Seine Zeugenaussage war für die Polizei wichtig
gewesen. Demnach mußte Frank Garison einen
Schwächeanfall erlitten haben. Der Fernsehreporter, der dadurch bekannt
geworden war, daß er stets heiße Eisen angriff, war weder übermäßig schnell
gefahren noch hatte er unter Alkoholeinfluß gestanden.
Experten
hatten sich sogar die Mühe gemacht und den Wagen des Verunglückten untersucht,
da der Verdacht aufgekommen war, Frank Garison sei
einem Sabotageakt zum Opfer gefallen. Ein Mann wie Frank Garison hatte Feinde. Zu viele Dinge hatte er furchtlos an die Öffentlichkeit gebracht,
zu viele Namen hatte er während seines kurzen, ereignisreichen Reporterlebens
genannt.
Aber auch
dieser Verdacht hatte sich zerstreut.
Der Wagen war
nicht manipuliert gewesen. Menschliches Versagen mußte als Unfallursache
angenommen werden.
Helen Garison hatte fast den Verstand verloren, als man ihr die
Todesnachricht überbrachte.
Tagelang war
sie von Sinnen gewesen. Sie hatte nicht fassen können, daß sie bereits mit
sechsundzwanzig Jahren Witwe sein sollte. So jung - und schon am Ende des
Lebens?
Bis zur
Beerdigung waren die Tage wie in einer einzigen Qual vergangen. Und nachdem
alles vorbei war, folgten Tage und Nächte, in denen ihr die ganze Schwere des
Ereignisses erst bewußt wurde. Sie hatte viele Freunde und Bekannte. Jeder
stand ihr mit Rat und Tat zur Seite, jeder wollte helfen, aber im Prinzip war
man doch allein. Man konnte den Schmerz nicht auf andere abwälzen, nicht
verteilen.
Mehr als
einmal war ihr der Gedanke gekommen, aus dem Leben zu scheiden.
Aber da war
ja noch Jonny, der fünfjährige Sohn. Frank war vernarrt in den Blondschopf
gewesen. Er hatte überhaupt Kinder sehr gerne gehabt und trotz seines
zeitraubenden und anstrengenden Berufes hatte er immer noch Zeit für den Jungen
gefunden.
Jonny war der
einzige, der Helen Garison vor einem unüberlegten
Schritt zurückhielt. Der Junge brauchte sie.
Aber brauchte
er sie auch jetzt noch?
Seit drei
Tagen war Jonny Garison wie vom Erdboden verschluckt.
Scotland Yard suchte fieberhaft nach dem Kind, aber es gab bis zur Stunde keine
Spur von ihm.
Helen Garison fühlte sich leer und ausgebrannt.
Das Leben
hatte jeglichen Sinn für sie verloren.
Wie in Trance
erhob sie sich und ging durch das dämmrige Schlafzimmer. Die Tür zur Diele
stand offen. Genau gegenüber lag das Kinderzimmer. Auch hier war die Tür
geöffnet.
Unwillkürlich
hielt Helen Garison den Atem an und lauschte. Sie
wünschte sich in diesen Sekunden ganz stark, daß alles, was hinter ihr lag, nur
ein böser Traum war: Jonny war nicht verschwunden! Er lag jetzt sicher
friedlich schlafend in seinem Bettchen und hielt einen Zipfel des Kopfkissens
mit seinen kleinen Händen umfaßt.
Beinahe hart
zerbrach das Licht die Dunkelheit, als Helen Garison den Schalter betätigte.
Das Bett war
leer! Jonny war nicht im Haus.
Helen Garison ließ hörbar die Luft ab. Ihre Schultern sanken nach
vorn.
Sie war am
Ende ihrer Kraft. Ihre Nerven waren nicht fähig, die Belastung länger zu
tragen. Die Ungewißheit über Jonnys Schicksal zehrte an ihr.
Minutenlang
stand sie an die Tür gelehnt, schloß die Augen und weinte still vor sich hin.
Dann löste sie sich vom Pfosten und wanderte durch das große, stille
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