085 - Hexensabbat
hin.
»Es sieht
schlimm aus, Mrs. Whyller «,
sagte der Arzt. »Sein Herzschlag wird schwächer. Aber wir werden gleich da
sein. Im Somerset haben sie eine Intensivpflegestation. Wenn wir rechtzeitig
eintreffen, können meine Kollegen vielleicht noch etwas tun. Sie wurden bereits
telefonisch verständigt, und so ist sicher schon alles vorbereitet .«
Peggy Whyller preßte die Lippen zusammen und nickte tapfer. Ein
tiefer Seufzer entrann ihren Lippen. George war dreiundfünfzig. Nie war er
ernstlich krank gewesen. Und nun dies.
Dr. Bert Loamer war froh, als der mit Martinshorn und Signallicht
fahrende Ambulanzwagen endlich auf das Hospitalgelände einfuhr. Das breite
Portal an dem betreffenden Gebäudeabschnitt war weit geöffnet. Schwestern und Ärzte
standen bereit. Eine Bahre war aufgestellt.
George Whyller wurde vorsichtig umgebettet und sofort
davongefahren. Peggy Whyller wurde von einer
Schwester in die Anmeldung gebeten, wo die leidige Bürokratie in Tätigkeit
trat.
Draußen im
Gang wartete Peggy Whyller die weitere Entwicklung ab.
Immer wieder
starrte sie auf die Tür, hinter die man ihren Mann gebracht hatte. Kein Laut
drang nach draußen. Kalt und weiß blickten die glatten Wände des langen
Korridors sie an.
Eine halbe
Stunde verging. Dann endlich öffnete sich die Tür.
Der Chefarzt
ging auf Peggy Whyller zu.
Sie
schluckte. »Ist er ... ?« Sie wagte nicht, das letzte
Wort auszusprechen.
»Nein, er ist
nicht tot. Ihr Mann ist zu sich gekommen. «
Sie atmete
erleichtert auf. »Kann ich zu ihm, Herr Doktor ?«
»Wir wollen
ihn nicht unnötig belasten. Ich halte es für zu früh, wenn ihn jetzt jemand
besucht. Er braucht völlige Ruhe. Allerdings hat er einen Wunsch geäußert. Ich
fühle mich Ihnen gegenüber verpflichtet, dies zu sagen .«
»Was will er ?«
»Er hat nach
einem Priester gefragt, Mrs. Whyller .«
Peggy Whyller klappten die Mundwinkel herab. »Ein Priester ?« echote sie, als hätte sie nicht richtig verstanden. Der
Chefarzt nickte. Er war ein älterer Mann mit noch vollem, dichtem Haar,
buschigen Augenbrauen und einem klaren, ehrlichen Gesicht. »Der Zustand Ihres
Mannes ist nach wie vor ernst. Wir wissen nicht, ob wir ihn durchkriegen .«
»Aber gerade
dann wäre es doch angebracht, mich zu ihm zu lassen !« Peggy Whyller schrie es fast heraus, und in ihrer
Verzweiflung wollte sie sich am Chefarzt vorbei ins Zimmer stürzen.
Mit eisernem
Griff hielt der Arzt die Frau fest.
»Er weiß, daß
Sie hier sind, Mrs. Whyller .
Ich habe es ihm gesagt. Er möchte nicht, daß Sie ihn besuchen .«
Für Peggy Whyller brach eine Welt zusammen. »Er möchte das nicht ?« fragte sie ungläubig. »Ich kann das nicht verstehen. Wenn
er im Sterben liegt, dann wird es doch noch Dinge geben, die er mir - nur mir -
zu sagen hat. Ein Priester, okay. Vielleicht fängt er an, in den letzten
Minuten seines Lebens noch mal fromm zu werden. Das alles gibt es ja. Aber daß
er mich nicht sehen will?!«
Der Chefarzt
zog sie auf die Seite. »Ich hätte gern, daß Sie im Aufenthaltsraum noch eine
Weile bleiben, Mrs. Whyller .
In einer halben oder einer Stunde kann ich Ihnen mehr sagen. Vielleicht kommt
Ihr Mann auch plötzlich auf die Idee und will Sie doch noch sprechen. Trotz
meiner Bedenken würde ich das in diesem Fall erlauben .«
Peggy Whyller senkte den Kopf und strich mit einer nervösen
Bewegung durch die hastig zurechtgemachte Frisur. »Danke !«
Sie ging in
den Aufenthaltsraum, nahm an einem der flachen Tische Platz, griff nach einem
Magazin und blätterte darin, ohne sich über den Inhalt dessen, was sie las und
sah, klar zu werden. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Durch die
Glaswand sah sie schon eine Viertelstunde später den Priester kommen. Es
handelte sich um einen greisen Mann mit einer altmodischen, kurzgeschnittenen
Scheitelfrisur. Der Geistliche verschwand hinter der Tür der
Intensivpflegestation.
Der Chefarzt
begleitet ihn, und Peggy Whyller sah noch, daß der
Doktor einige Worte mit dem Mann sprach, ihn offenbar darum bat, seinen Besuch
so kurz wie möglich zu gestalten. Zwei Minuten später kam der Chefarzt aus dem
Zimmer. Der Geistliche blieb bei dem Kranken.
●
Bleich und
mit eingefallenem Gesicht lag George Whyller in
seinem Bett. Eine Anzahl von Aparaturen waren an der Wand hinter ihm angebracht. In einem Gestell
hing eine Infusionsflasche mit einer gelben Flüssigkeit, die monoton in Whyllers Vene tropfte.
Der Patient
lag unter einem Sauerstoffzelt.
Weitere Kostenlose Bücher