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085 - Von den Morlos gehetzt

085 - Von den Morlos gehetzt

Titel: 085 - Von den Morlos gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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Schattenbilder entworfen, während Ben den Lichtschein nach oben hin mit den Händen abschirmte, damit das Wesen nicht geblendet wurde.
    Buchstaben für Buchstaben reihten sich aneinander. Warren berichtete ihm auf diese Art, daß er als Lebender zu den Morlos gekommen sei und daß nur die Toten aus den Gräbern ihre Erinnerung verloren. Aber sie konnten nicht sprechen und nicht hören, und ihre Augen waren auf das ewige Dunkel eingestellt. Einmal, Tage nach seiner Umwandlung, sei er geflohen. Aber er war ohne Zwang zurückgekehrt, weil eben ein Toter zu den Toten gehört.
    Unhörbar für ein menschliches Ohr wurden die Wesen zuweilen von ihrem Gott gerufen. Dann vergaß auch er seine schreckliche Umwelt, und er fühlte und empfand wie die anderen des Schattenreiches.
    Ben drängte ihn schließlich, ihn bis zur Treppe zu begleiten, die hinauf in die menschliche Welt zurückführte. Warren zögerte erst, doch dann verbeugte er sich wieder leicht, erhob sich und kroch in den Tunnel. Ben folgte ihm, zwängte sich in die enge Röhre, zog den schmerzenden Fuß nach und wandte sich hinter dem fiependen Wesen auf den Ausgang zu.
    Später humpelte er von Schmerzen gequält hinter der kleinen Gestalt her. Jeder Schritt, jedes Auftreten und das kleinste Anstoßen gegen eine Unebenheit bereitete ihm solche Qualen, daß ihm fast die Sinne schwanden.
    Schwitzend, einer Ohnmacht nahe, folgte er Warren, dessen schrilles Pfeifen und Fiepen ihm den Geist zu verwirren begann. Das konnte man doch nicht mehr als Leben bezeichnen. Zur häßlichen Kreatur erniedrigt und ohne eine Möglichkeit zum Sprechen. Ewigkeiten, Jahrtausende in einer stinkenden Höhle vegetieren, und dies alles ohne die Hoffnung auf ein Ende, wie es der Tod den Menschen bescherte.
    Als sie endlich am Fuß der Treppe standen, waren die Schmerzen im Bein unerträglich geworden. Warren blickte ihn ausdruckslos an, verbeugte sich leicht, stieß ein helles Fiepen aus und verließ ihn wieder. Sekunden später tauchte er mit wiegendem Gang irgendwo im Dämmerschein des roten Lichtes unter. Nur seine tapsenden Schritte und der helle Pfeifton, den er beim Atmen ausstieß, war noch eine Weile zu hören.
    Ben leuchtete in die Höhe. Winzig klein und in schier unerreichbarer Ferne erkannte er den dunklen Eingang des letzten Tunnels, dem Zugang zur Freiheit, zum Licht. Von heftigen Schmerzwellen geplagt wagte er den Aufstieg. Da er nur mit dem unverletzten Fuß auftreten konnte, mußte er sich Sprosse um Sprosse mit den Händen nach oben ziehen, dann den Fuß nachhaken, immer wieder. Die Qual schien kein Ende zu nehmen. Er fühlte die Kräfte schwinden.
    Er schloß die Augen, klammerte sich an die Leiter, schob eine Hand hoch, dann die zweite. Festhalten, verkrampfen, die Beine nachziehen! Tief unter ihm krachte etwas auf den Boden. Die Lampe wahrscheinlich. In diesen furchtbaren Minuten, die er sich immer höher quälte, wäre es nicht einmal verwunderlich für ihn gewesen, wenn er selbst hinuntergefallen wäre, ohne das Abrutschen zu bemerken.
    Endlich sah er vor sich etwas Dunkles. Der Tunnel. Mein Gott, wie hatte er das nur geschafft? Er war fast oben. Stöhnend kroch er über den Rand in den gähnenden, engen Schlund hinein, wo er minutenlang erschöpft liegenblieb. Dann legte er sich auf den Rücken, zog das gesunde Bein an und stieß sich ab. Zentimeter um Zentimeter rutschte er so rückwärts auf die letzte, hohe Leiter zu.
     

     

Warum ist es so still? Kein Vogel singt in den Bäumen, kein Wind weht durch die Sträucher. Es ist, als wäre die Welt gestorben, während ich unten gewesen bin.
    Ich trete aus der Tür, mache ein paar Schritte auf den Hauptweg zu, bleibe stehen. Weit hinten am Ende des Weges nähert sich die Silhouette einer Frau. Wie spät wird es sein? Jetzt, da es bereits dunkelt, könnte es vielleicht zehn Uhr abends sein. Siebzehn Stunden habe ich also in der Tiefe verbracht.
    Die Frau kommt näher. Ich sehe, daß sie eine Gießkanne in der Hand hält. Vielleicht ist sie berufstätig, daß sie noch so spät die Grabbepflanzung versorgt.
    Als sie nur noch einige Meter von mir entfernt ist, trete ich aus dem Schatten auf den Weg. Ich räuspere mich, damit sie nicht zu sehr erschrickt, wenn ich so plötzlich auftauche. Aber ich höre nichts. Der Druckunterschied von dort unten bis hierher muß gewaltig sein. Jetzt wird mir klar, daß ich keine Geräusche höre. Aber sie muß mich ja hören.
    „Guten Abend, bitte erschrecken Sie nicht, aber vielleicht

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