0850 - Rache aus der Totenkammer
sie nichts getan. Sie stand einfach vor dem Mann und spreizte die Arme. Dies geschah mit lautlosen Bewegungen, als stünde sie in einer anderen Welt und würde nur beobachten. Die Haare bewegten sich. Ein nur für sie spürbarer Wind spielte mit ihnen, und dann verzog sie den Mund um einen Moment später ihr Opfer anzusprechen.
»Du hast keine Gnade gekannt. Nicht bei mir und auch nicht bei all den anderen.« Ihre Stimme war nur ein Zischen. Jedes Wort schien Meilen zurückgelegt zu haben, bevor es gehört wurde. »Du hast mit den Menschen dein grausames Spiel getrieben, aber in mir hast du dir die falsche Person ausgesucht. Du hast nicht gewußt, wer ich wirklich bin und welchen Beschützer ich habe, und das wird dir zum Verhängnis werden. Ich kann es dir versprechen. Ich werde nicht gleiches mit gleichem vergelten. Ich werde dich also nicht töten, aber ich werde dich bestrafen, und diese Bestrafung wird schlimmer sein als der Tod. Ich werde mir etwas von dir holen und es für mich verbrauchen, denn es soll und es wird mich kräftigen. Du wirst erleben, wie es ist, wenn man schwach ist, wenn man nicht mehr kann, wenn man immer schwächer und kleiner wird und nur mehr dahinvegetiert. Ich mach dich zu einem Nichts, Egon Kraft, zu einem häßlichen widerlichen Nichts. Und als solches wirst du irgendwann dein Leben beenden.«
Die Glatze hatte zugehört. Sie wollte es eben wissen.
Wenn er nicht tot war, lebte er. Und wenn er lebte, konnte er sich wehren.
Der erste Schock war vorbei. Er fühlte sich auch wieder besser. Widerstand regte sich in ihm. Sein Gesicht war rot angelaufen. Selbst auf seinem Schädel zeichnete sich die Farbe ab, und mit einer heftigen Bewegung stand er auf.
Egon Kraft überragte die Erscheinung. Dabei hatte er für einen Moment das Gefühl, ein Sieger zu sein, weil er auf sie runterschaute.
Er würde sich nicht fertigmachen lassen. Er würde kämpfen, auch wenn sie ein Geist war.
Er holte mit der rechten Hand aus, wollte sie Rita ins Gesicht schlagen. Dabei hatte er auch den Mund geöffnet, um noch einmal richtig Atem zu holen.
Es war ein Fehler gewesen.
Plötzlich bewegte sich die Erscheinung vor ihm, und sie war verdammt schnell. Schneller als ein Schatten, ein Blitz, dem er nicht mehr ausweichen konnte.
Und dieser Schatten fand sein Ziel. Er jagte hinein in den offenen Mund, noch bevor der Mann die Lippen hatte schließen können.
Egon Kraft merkte, wie etwas von innen gegen seinen Hals prallte.
Ein dumpfes Geräusch echote durch seinen Kopf. Sein Kopf wurde zurückgeworfen, und der Körper machte die Bewegung mit. Egon Kraft taumelte noch, bevor er gegen die Kante stieß, wieder in die Knie sackte und auf die Sitzfläche des Sessel prallte.
Da blieb er.
Für wenige Sekunden war der Mann erstarrt. Erst dann konnte er sich wieder bewegen. Er schlug um sich. Seine Arme hoben sich an, sie sanken schnell wieder nach unten. Die Hände malträtierten die Sessellehne. Die Fernbedienung rutschte über die Kante hinweg und prallte auf den Boden, wo sie liegenblieb.
Er saß starr und bewegte sich trotzdem. Allerdings nur Teile seines Körpers. Von der Gürtelschnalle aufwärts war sein Körper gelähmt. Mit den Füßen trommelte er einen wilden Rhythmus auf die blanken Bohlen, als wollte er sie kurzerhand zerhämmern. Es war ein konvulsivisches Zucken der Beine, auf das dieses Wesen keine Rücksicht nehmen konnte, denn es steckte bereits in ihm.
Wie eine glatte Schlange war es durch den Mund in seinen Körper gedrungen. Eine Frau, die sich zusammengezogen hatte und zu einem Nebelstreifen geworden war.
Er hatte den Geist geschluckt.
Egon Kraft spürte ihn in sich. Er wühlte sich durch seinen Körper.
Ihm wurde kalt und heiß zugleich. Der Kopf erinnerte an eine glühende Herdplatte, die Augen quollen ihm aus den Höhlen, denn hinter ihnen spürte er einen immens starken Druck, dem er nichts mehr entgegenzusetzen hatte.
Die Erscheinung wühlte, sie toste durch seine Körper. Sie raste überall hin, sie schien sich vervielfältigt zu haben, und Kraft rutschte in seinem Sessel zusammen.
Er trampelte noch immer mit den Beinen. Nur hatten seine Füße den Kontakt zum Boden verloren. Ihm war nicht klar, wieso dies überhaupt hatte geschehen können, bis er plötzlich merkte, daß die Fläche des Fernsehapparates größer geworden war.
Eine Täuschung?
Er wußte es nicht, er mußte hinnehmen, aber ihm war auch klar, daß etwas mit ihm geschehen war.
Er konnte nicht genau sagen, was da
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