0855 - Kalis Würgertruppe
uns wußte, in welch einer Not sich die Frau befand.
Auch ich war gesehen worden.
Zwei Gestalten zuckten zur Seite. Der dritte Mann schnellte zwar hoch, und ich sah das Funkeln seiner langen Messerklinge, was mir klarmachte, daß er nicht aufgeben würde.
Er griff mich an.
Ich tauchte blitzartig weg, so daß mich der Stoß verfehlte. Irgendwie berührten wir uns trotzdem noch, so daß ich ins Straucheln geriet, mich aber fangen konnte und mich herumwarf.
Von den beiden anderen Indern war nichts zu sehen. Der Erdboden schien sie verschluckt zu haben, der Mann mit dem Messer war noch da. Er hatte auch mitbekommen, daß ich ihm nicht allein gegenüberstand, drehte sich und schleuderte seine Waffe nicht mir entgegen, sondern dem aussteigenden Suko.
Der duckte sich hinter der Tür. Das Messer kratzte über das Metall, der Inder fluchte und wollte verschwinden.
Ich hechtete ihm von hinten in die Beine. Mit beiden Händen umfaßte ich seine Waden. Der Mann schlug auf das Gesicht, er wollte sich befreien, aber Shao war schneller.
Ihr Tritt traf ihn an der Schläfe. Bewußtlos sackte der Turbanträger zusammen. Dann lief Shao auf die Frau zu, die am Boden lag und mit den Beinen strampelte, den Hals noch immer in der Schlinge.
Suko war wieder hinter der Tür hochgekommen. Trotz der Dunkelheit sah ich sein Grinsen. Er blieb neben mir stehen. Ich kniete inzwischen neben dem Bewußtlosen und tastete ihn ab. In einer weiten Tasche fand ich eine Seidenschlinge, die ich an mich nahm. Dem Kerl wuchs an der linken Stirnseite eine Beule. Shao hatte ihn gut getroffen, und ich legte ihm Handschellen an. Dann zerrte ich ihn hoch und wunderte mich darüber, wie leicht er war.
Suko hatte die Waffe an sich genommen. Er fuhr mit der Daumenkuppe über die Schneide hinweg. »Verdammt spitz«, sagte er und nickte. »Die hätte alles durchtrennt. Haut, Sehnen, vielleicht auch Knochen. Mal sehen, was unser Freund zu sagen hat, wenn überhaupt.«
»Eben.«
Shao hatte sich um Carol gekümmert. Die Journalistin lehnte an der Tür. Sie schnappte nach Luft wie ein Fisch an Land. Mit einer Hand griff sie sich an die Kehle. Sie weinte auch, aber Shaos ruhige Stimme brachte sie wieder zurück in die Normalität.
»Wir sollten ins Haus gehen. Wo haben Sie den Schlüssel?«
»Tasche.«
Es wohnten sechs Parteien im Haus, und Carol Deep hatte eine Wohnung im unteren Geschoß gemietet.
Ich schloß die Haustür auf und wenig später auch die Wohnungstür. Zuerst machte ich Licht, durchsuchte blitzschnell die drei Räume. Dabei fielen mir sofort die wenigen Möbel auf.
Versteckt hatte sich niemand, auch im Bad nicht.
Ich ging wieder zurück und winkte den anderen zu. Im Wohnraum ließ ich die Rollos herab und schaute zu, wie Shao die Journalistin vorsichtig in einen knallgelben Sessel drückte. »Ich hole Ihnen etwas zu trinken, Carol.«
Suko kümmerte sich um den Inder. Er trug noch immer die Handschellen und sagte kein Wort. Allerdings sah er auch ziemlich benommen aus und bewegte sich sehr mechanisch, als könnte er die eigenen Schritte nicht genau nachvollziehen.
Shao brachte der Journalistin ein mit Wasser gefülltes Glas. Carol trank in kleinen Schlucken. Es war ihr anzusehen, daß sie dabei Schmerzen hatte, denn bei jedem Schluck verzerrte sich ihr Gesicht.
Ich schaute mir ihren Hals an. Die verdammte Schlinge hatte in der Haut eine rote Furche hinterlassen, die Shao mit ihrem Taschentuch abtupfte.
Carol Deep hatte das Glas geleert. In ihr Gesicht war wieder etwas Farbe zurückgekehrt, und die unmittelbare Angst hatte ihre Augen verlassen. »Danke«, krächzte sie, als sie Shao das Glas zurückgab.
»Aber wo kommen Sie her? Wer sind Sie?«
»Mandra Korab hat uns geschickt«, erklärte ich.
Sie schaute mich an, und beinahe war es zu sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. »Dann sind Sie der Freund, von dem er mir erzählt hat?«
»Mein Name ist John Sinclair.«
»Ja, den kenne ich.«
»Wunderbar.« Ich stellte Shao und Suko ebenfalls vor, dann sagte ich: »Wir haben uns doch Sorgen um Sie gemacht, als wir hörten, was passierte. Daß wir im letzten Augenblick erschienen sind, können Sie als Glück, Zufall oder Schicksal ansehen.«
»Beides«, flüsterte sie, »beides. Dann habe ich Mandra wieder meine Rettung zu verdanken.«
»Indirekt schon.«
»Ja, er ist… er ist außergewöhnlich …«
»Wann werden Sie in der Lage sein, wieder reden zu können?« erkundigte ich mich.
Carol winkte mit einer matten Bewegung ab.
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