0855 - Kalis Würgertruppe
Personalien an, nickte, gab ihr den Ausweis aber noch nicht zurück. »Sie sind Journalistin?« fragte er.
»Ja.«
»Müßte ich sie kennen?«
»Wenn Sie Radio hören, dann schon.«
»Nein, ich meine vom Fernsehen.«
»Sorry, da muß ich passen.«
»Trotzdem, Madam, willkommen in London!«
»Danke.«
Carol bekam den Ausweis zurück und konnte passieren. Das Gepäckband blieb ihr trotzdem nicht erspart. Dort sah sie auch den Inder wieder. Er hatte Glück. Sein Koffer lag als einer der ersten auf dem Band. Er schnappte ihn sich und eilte davon.
Sicherheitshalber hatte sich Carol einen Wagen besorgt. Sie war mit großem Gepäck gereist, dazu gehörte auch eine Fotoausrüstung und einer der besten Camcorder der Welt.
Den Beamten vorhin hatte sie angelogen, denn ihr Bericht über das Elend würde nicht im Radio gesendet werden, diesmal lief er tatsächlich über den Bildschirm, und das zur besten Sendezeit. Darauf hätte sie sich eigentlich freuen können, wäre da nicht dieses bedrückende Gefühl gewesen, das sie nicht losließ.
Nicht jeder Passagier wurde kontrolliert, doch als sie mit dem Gepäckwagen erschien, leuchteten die Augen eines älteren Beamten regelrecht auf, und sie wurde zur Seite gebeten.
»Wenn Sie bitte öffnen würden, Madam.«
»Muß das sein?« stöhnte Carol.
»Ja, es muß sein.«
Der Beamte war nicht einmal so freundlich, ihr zu helfen. Sie mußte die einzelnen Gepäckstücke auf einen Tisch legen, und natürlich bekam der Mann große Augen, als er die Elektronik sah, die Carol mit sich herumschleppte.
Bevor er eine dumme Frage stellen konnte, gab sie eine Erklärung.
»Diese Kameras sind mein Arbeitsmaterial. Ich bin Journalistin von Beruf und habe in Indien gearbeitet.«
»Aber ich habe doch gar nichts gesagt.«
»Sorry.«
»Nur den Koffer, bitte.«
»Welchen? Es sind zwei.«
»Den großen.«
»Wie sie wollen.« Arschloch, dachte Carol. Wahrscheinlich gefällt ihm die rote Farbe und auch die vielen Aufkleber. Oder er ist einfach nur geil darauf, meine Wäsche zu sehen. Sie fühlte sich ausgelaugt und fertig, der lange Flug hatte sie mitgenommen. Jetzt noch diese nervige Kontrolle über sich ergehen lassen, war wirklich die absolute Härte.
Carol öffnete die Schlösser und drehte den Koffer so, daß sein Vorderteil zu dem Beamten hinwies. Dann zog sie den Deckel hoch.
Gleichzeitig bewegte der Mann seinen Kopf nach vorn, als könnte er es nicht erwarten, einen Blick in den Koffer zu werfen.
Der Deckel klappte hoch – und dann passierte es.
Plötzlich war die Schlange da. Sie sah aus wie ein Band, das sich durch das Öffnen des Deckels gelöst hatte und in die Höhe schnellte. Der Beamte wich nicht schnell genug zurück. Zudem hatte er vergessen, den Mund zu schließen, und die mittelfingerdicke Schlange fand zielsicher ihren Weg zwischen seinen Lippen hindurch…
***
Carol Deep wurden zwei Dinge zugleich klar. Zum ersten, daß sie ein unwahrscheinliches Glück gehabt hatte, denn hätte sie den Koffer geöffnet, wäre sie erwischt worden. Zum zweiten stand fest, daß ihre Feinde nicht aufgegeben hatten. Sie hatte in das Nest hineingestochen und die Wespen aufgescheucht.
Über den Kofferraumdeckel hinweg starrte sie den Beamten an. Es war den anderen Passagieren nicht aufgefallen, weil Carol und der Kontrolleur abseits standen. Hinter ihrem Rücken lief der normale Betrieb weiter, vor ihr aber erlebte sie das Grauen.
Der Mann würgte. Er bot ein schlimmes Bild. Die Schlange hatte sich durch seinen Mund in den Rachen hineingeschoben. Das Gesicht sah aus wie eine schweißbedeckte Karikatur. Zur Hälfte schaute das Tier noch aus dem Mund hervor, glitt aber mit schnellen, zuckenden Bewegungen weiter und war plötzlich ganz verschwunden.
Carol preßte eine Hand auf ihren Mund. Das Bild vor ihr war so schrecklich, daß sie es nicht sehen wollte. Aber sie konnte nicht anders, der Boden hielt sie fest, und so glotzte sie den Mann an, der die Schlange in seinem Körper spürte.
Auch Carol konnte das Tier nicht sehen. Ihre Phantasie gaukelte ihr eine Durchsichtigkeit des Körpers vor. Die Schlange hatte längst den Magen erreicht. Dort bewegte sie sich, vielleicht fraß sie auch, und für Carol war sie kein normales Tier. Dieses glatte Wesen mußte mit dem Teufel persönlich im Bunde stehen oder von einem Dämon besessen sein. Es hatte die Magie eines fremden Landes mit auf diesen Flughafen gebracht.
Der Mann hatte sich nicht halten können. Er war nach vorn gefallen und
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