0855 - Spektrum des Geistes
sehen. Leb wohl, Virna."
Eine Woche später tauchte Boyt auf. Er war völlig verstört.
„Jörge ist tot", eröffnete er Virna, die selbst am Ende ihrer Kräfte war. „Ich wußte es schon, bevor die Nachricht eintraf, daß er bei einem Unfall auf Teconteen IV ums Leben gekommen ist. Mir war, als würde ein Stück von mir absterben."
„Du schaffst es auch allein, mein Junge", tröstete sie ihn und erzählte ihm, wie schlecht Jörge über ihn gesprochen hatte.
„Dieser Hundesohn!" schrie Boyt außer sich. „Wie kann er es wagen, mich so schmählich im Stich zu lassen. Was soll ich denn ohne ihn machen? Ich war mir seiner so sicher, daß ich mich völlig in seine Abhängigkeit begab. Jetzt habe ich nur noch dich, Virna."
Aber er hatte sie nur noch kurze Zeit.
Sie starb in seinen Armen.
Zwischenspiel: Januar 3586 Der Mann steht am Fenster und blickt auf die Stadt hinaus.
„Terrania", murmelt er. „In einigen Jahren, wird diese Stadt wieder zum Zentrum der Ga-laxis geworden sein. Es war wichtig, als einer der ersten auf der zurückgekehrten Erde zu sein und die Entwicklung von Anfang an mitzubestimmen. Hier habe ich ganz andere Möglichkeiten als in der Provcon-Faust."
Der Mann spricht leise, wie zu sich selbst und so, daß die Frau nur Bruchstücke verste-hen kann. Sie ist seinem Gedankensprung auch geistig gar nicht gefolgt, sondern sie ver-arbeitet noch seine Erfüllung. Er hat erst einen kurzen Abschnitt seines Lebens enthüllt, aber wahrscheinlich den wichtigsten, wenn man bedenkt, wie ausführlich er ihn behandelt hat.
„Wie ist es dir nach Jörge Bellons Tod gegangen?" fragt sie, um zu verhindern, daß er abschweift. Sie muß ihn hinhalten, Zeit gewinnen: Wenn sie ihn beschäftigt, hat er keine Gelegenheit, sich mit der Situation auseinander zu setzen und Mißtrauen zu schöpfen.
„Jorges Tod hat mich zurückgeworfen", sagt er bitter. „Ich mußte praktisch wieder von vorne beginnen. Er war nicht nur mein Lehrer. Er war das Gehirn, das für mich dachte.
Er entwarf die Zukunftspläne für mich, er erarbeitete für mich die Kampfstrategie, und er war es auch, der die Sicherheitsvorkehrungen traf, die mich vor einer Entdeckung schützen sollten. Das alles überließ ich ihm. Von mir kamen nur die Befehle, der es bedurfte, seine Theorie in die Tat umzusetzen. Indirekt war es auch Jörge, der mich auf die Idee brachte, Vic zu beseitigen. Ich will die Schuld nicht auf ihn abwälzen, onein, ganz bestimmt nicht - ich fühle mich gar nicht schuldig. Jörge war sehr moralisch, aber es genügte, daß er mir sagte, daß Vic für mich noch zur Gefahr werden konnte, weil er zuviel über mich wußte. Das leuchtete mir ein. Also wartete ich den günstigsten Zeitpunkt ab ... Vic machte es mir leicht. Er versuchte, mich zu erpressen, so daß mir nur dieser letzte Ausweg blieb. Er brachte mich in eine Zwangslage, und ich handelte in Notwehr. Ich habe immer nur getö-tet, wenn man mich in die Enge trieb."
Die Frau ist nachdenklich geworden.
„Als du zu mir kamst, sagtest du, daß du auf der Flucht seist", erinnert sie ihn. Sie schluckt und stellt die entscheidende Frage: „War das auch eine solche Zwangslage, in der du keinen anderen Ausweg mehr sahst, als zu töten?"
„Meine Paratender haben das für mich erledigt", erwidert der Mann. „Zum Glück erkann-te ich die Falle noch rechtzeitig und konnte fliehen. Ich weiß nicht, was aus meinen Jägern geworden ist, aber du kannst beruhigt sein, Cilla, hierher sind sie mir nicht gefolgt."
„Deswegen sorge ich mich gar nicht..." Sie schüttelt die sie quälenden Gedanken ab und kommt wieder auf das ursprüngliche Thema zurück. Vielleicht findet sie doch noch den Schlüssel zu Boyt Margors Wesen, wenn er ihr seine Vergangenheit enthüllt. Bisher weiß sie kaum etwas über ihn.
„Wie ging es nach Jorges Tod mit dir weiter, Boyt?"
„Ganz tief hinunter - sagte ich nicht, daß ich von ihm abhängig war? Es hat Jahre gedauert, bis ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte. Lange Zeit war ich nicht einmal in der Lage, eine PSI-Affinität zu anderen Menschen zu erkennen. Ich glaubte schon, daß ich durch Jorges Selbstmord meine Fähigkeiten verloren hatte. Ich bin sicher, daß es Selbstmord war. Jörge war intelligent, er hat erkannt, daß es nur eine Möglichkeit gab, von mir loszukommen: den Tod. Zweifellos spekulierte er auch damit, daß ich untergehen würde, wenn er einmal nicht mehr war. Lange Zeit sah es auch so aus. Aber ich überwand diese Krise und
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