0855 - Spektrum des Geistes
regenerierte mich allmählich wieder. Da ich immer andere für mich hatte arbeiten lassen und es nicht für nötig gehalten hatte, mich zu bilden, übernahm ich im Raumhafen von Soltown zuerst einen Job, bei dem ich nur Handlangerdienste verrichten mußte. Irgendwann lief mir dann einer über den Weg, der genau auf meiner Wellenlänge lag. Er hieß Carl Michell und war ein Niemand, aber er war wichtig für mich, weil ich an ihm meine Fähigkeiten schulen konnte. Nach ihm konnte ich andere Paratender in einfluß-reicheren Stellen gewinnen und arbeitete mich so nach oben, gewann immer mehr Einfluß. Aber ich war immer darauf bedacht, mich nicht mehr in Abhängigkeit zu anderen zu bringen. Ich behielt die Zügel fest in der Hand, zog die Fäden aus dem Hintergrund. Das bewährte sich. Ich war die graue Eminenz in der Provcon-Faust. Ich hatte große Macht, aber ich wurde nicht größenwahnsinnig. Ich hielt meine Trümpfe zurück, baute mein geheimes Imperium auf Gäa langsam und unbemerkt immer weiter aus, geduldig auf den Tag wartend, da ich stark genug wäre, die Völker in der Provcon-Faust zu beherr-schen."
Als Boyt Margor geendet hat, sagt die Ambientepsychologin wissend: „Aber du hast zu lange gewartet. Deine Pläne wurden vom ‚Unternehmen Pilgervater’ durchkreuzt. Die Menschheit wanderte zur heimgekehrten Erde aus ..."
„Unsinn!" unterbricht er sie ungehalten. „Der Exodus aus der Provcon-Faust ist mir sehr gelegen gekommen. Es gab lange zuvor einige entscheidende Ereignisse." Er unterbricht sich, blickt ihr in die Augen und sagt sanft: „Du denkst sicher, daß ich keinerlei Skrupel hätte. Aber das ist ein Irrtum, Cilla. Natürlich fühle ich mich den Menschen überlegen, a-ber deswegen halte ich sie nicht für minderwertig. Ich bin nur anders als sie."
„Ich glaube, ich weiß, worauf du hinauswillst", erwidert die Frau nachdenklich. „Du willst sagen, daß du gegenüber deinesgleichen mehr Skrupel hättest. Aber das ist reine Theo-rie, du wirst diese Behauptung nie beweisen können."
„Doch, Cilla. Ich habe es getan und dabei erkannt, daß ich gerade sentimental bin."
„Du hast jemanden wie dich gefunden?"
Das war das Stichwort für ihn.
3524 - 3579: Bran Howatzer und die anderen 9.
Zimbat Howatzer war in Hochstimmung. Er hätte die ganze Welt umarmen können.
Sei-ne Frau Mille hatte ihm vor einer Woche einen Sohn geboren, und das war der Anlaß für eine intime Feier im Freundeskreis. Da Zimbat Howatzer ein geselliger Mensch war, hatte er jedoch viele Freunde, so daß aus dem Fest in kleinem Kreis schließlich ein Spektakel für sechzig Personen wurde.
Mille war als Gastgeberin eindeutig überfordert, aber sie hielt sich tapfer. Zimbat hatte im letzten Moment einen Dienstroboter gemietet und beim örtlichen Küchendienst weitere Menübestellungen aufgegeben, so daß Mille wenigstens in dieser Beziehung entlastet war. Sie konnte sich ihren Gästen ausgiebiger widmen, was aber auch recht anstrengend war.
Ständig mußte sie mit irgend jemandem anstoßen, und obwohl sie von ihrem Glas immer nur nippte, hatte sie inzwischen einen Schwips.
Im Garten stand ein Multi-Synthesizer, der ständig irgendwelche Geburtstagslieder into-nierte und die Gäste dazu animierte, auf den „Stammhalter" oder „Zimbat junior" anzu-stimmen.
„Nein, das tue ich ihm nicht an", erklärte Zimbat Howatzer mit lauter Stimme. Er war mit-telgroß, ziemlich untersetzt und hatte ein derbes Gesicht; zu dieser Stunde stand er be-reits recht unsicher auf seinen stämmigen Beinen. „Ich habe es meinem Vater nie verzie-hen, daß er mich ausgerechnet Zimbat taufte. Zimbat Howatzer - wie hört sich das an!"
„Habt ihr euch schon überlegt, wie er heißen soll?"
Zimbat legte den Arm zärtlich um seine Frau und nickte ihr auffordernd zu.
„Wir wollen ihn Bran nennen", sagte sie.
Der Name machte die Runde, und alle gaben der Meinung Ausdruck, daß dies ein schöner und klangvoller Name sei. Auch wenn dies weniger ehrlich als freundlich gemeint sein mochte, Zimbat und Mille forschten dem nicht nach. Sie waren mit ihrer Wahl zufrie-den, und nur darauf kam es an.
„Jetzt wird es aber Zeit, daß ihr uns den Prinzen einmal vorführt!"
Mille seufzte ergeben. Sie hatte es längst schon aufgegeben zu zählen, wie oft sie Leute ins Kinderzimmer geführt hatte, um sie einen Blick auf ihren Sohn werfen zu lassen. Ihr war dieser Rummel zuwider, aber Zimbat zuliebe machte sie das Theater mit.
„Ich liebe dich", flüsterte er
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