0856 - Leas Hexenladen
die Delinquentin die letzten Schritte vor. Erst fiel der Schatten der Schlinge über Maureens Gesicht, dann wurde die Haut selbst von ihr berührt. Maureen konnte das leichte Kratzen genau verfolgen.
Sie schauderte zusammen.
Lea persönlich griff zu. Ihre Haut ist so ungewöhnlich grünlich, dachte Maureen, als würde sich dort die gesamte Natur abzeichnen und noch etwas mehr.
Sie begriff nichts mehr. Sie stand auf der Schwelle zum Wahnsinn. Der Strick streichelte ihre Haut unter dem Kinn, er umfaßte ihren Hals wie eine Klammer.
Dann bewegte er sich, weil jemand an dem Knoten gezerrt hatte. Plötzlich berührten nur noch die Fußspitzen den Boden. Maureen spürte den Druck des Knotens an ihrem Hinterkopf.
Und genau dieser Druck war es, der sie aus ihrer von Angst gefesselten Lethargie herausriß. Auf einmal war alles anders. Ihr kam zu Bewußtsein, in welch einer Lage sie sich befand.
Sie riß den Mund auf, um zu schreien. Es drang nur ein Röcheln hervor, mehr nicht.
Lea lachte leise. Sie sah dem Trampeln der Maureen Simpson zu. Wie ihr Bruder, dachte sie.
»O Gott…«
»Dir hilft auch kein Gott mehr!« erklärte Lea, übernahm von Celia die Schlinge und machte sich an ihre grausame Arbeit…
***
Ich saß im Sessel und schaute zu!
Dabei hätte ich auf dem Mond hocken können, es wäre auf das gleiche hinausgelaufen. Die Umgebung spielte keine Rolle. Ich sah nur, was sich dort abspielte, wo auch mein Kinderfreund Mike gestorben war, und ich schlug nur die Hände vor mein Gesicht. Nur für einen Moment, dann sanken sie wieder nach unten, so daß ich auf die Fläche des Spiegels blickte, der neben mir lag, weil ich nicht in der Lage war, ihn festzuhalten. Zu stark zitterten meine Hände. Was man mir da zeigte, war furchtbar. Das konnte ich nicht begreifen. Es wollte mir nicht in den Kopf, daß vier Frauen dabei waren, eine andere zu töten.
Maureen hatte keine Chance!
Und ich hatte versagt.
Ich war auf die Tricks der Hexe reingefallen. Sie hatte mich gewarnt, ich hätte vorsichtiger sein müssen und war trotzdem nicht gewesen. So mußte ich dann zuschauen, wie das Grauen seinen Lauf nahm. Ich hätte den Spiegel auch weglegen oder ihn zerschmettern können, aber es war eine Kraft da, die mich zwang, auch weiterhin auf die Fläche zu schauen, und so bekam ich alles mit.
Nicht nur die äußeren Dinge, ich spürte auch die Angst der Maureen Simpson. Sie kam zu mir herüber, als wäre dieser Spiegel für dieses Gefühl der entsprechende Katalysator.
Mich schwindelte. Der Druck in meinem Magen war nicht mehr zu ertragen. Der Schweiß brach mir aus allen Poren. Ich flüsterte Maureens Namen. Ich rief ihn laut, ich brüllte, aber meine Stimme verhallte innerhalb dieser vier Wände. Helfen konnte ich nicht.
Die andere Seite demonstrierte mir, wie machtlos ich war. Ich kam einfach nicht mehr zurecht. Ich, John Sinclair, ein Geisterjäger und Spezialist für Dämonen, stand auf verlorenem Posten.
Mir wurde die Hilflosigkeit eines Menschen auf die schlimmste Art und Weise demonstriert, die man sich vorstellen konnte.
Der Spiegel war brutal.
Der Spiegel zeigte alles.
Jede Kleinigkeit. Er war sogar in der Lage, Gefühle abzugeben. Ich glaubte, die Furcht zu spüren, die Maureen in ihren Klauen hielt. Sie war gnadenlos, und ich konnte meinen Blick einfach nicht von dem Gesicht abwenden.
Noch lebte sie.
Aber Lea wollte diesen Zustand nicht länger hinnehmen. Sie war brutal, und sie führte das durch, was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte.
Maureen starb wie ihr Bruder.
Es war ein furchtbarer Tod für sie. Ich erlebte ihn mit, aber ich saß auf meinem Platz, war erstarrt.
Ich wollten denken und schaffte es nicht. Ich wollte aufstehen, es war nicht möglich. Ich wollte meine Wut hinausschreien, es ging ebenfalls nicht.
Ich saß in einer Lage, wie ich sie selten erlebt hatte. Ich starrte gegen das Fenster, ohne es richtig wahrzunehmen, und erst als ich aufstand, aus welchen Gründen auch immer, wurde mir bewußt, daß ich noch lebte und mich die Hexe nicht erwischt hatte.
Ich ging in das kleine Bad und schaltete das Licht ein. Der Raum wurde zu einer hellen Bühne, in deren Mittelpunkt eine fremde Person stand, die ich war.
Ich sah mich im Spiegel und erkannte mich nicht wieder. Ich war einfach ein Fremder, der zufällig den Namen John Sinclair trug.
Ich hob den rechten Arm.
Die Gestalt im Spiegel vollführte die gleiche Bewegung. Also war ich es doch, der verschwitzt und leichenblaß aus der
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