0857 - Amoklauf der Werwölfe
Polizistenscheuche.«
Robin nickte. »Nen Vogel hab ich wohl trotzdem…«
»Und wie komme ich nun in die Geschichte?«
»Ich dachte mir, ich hole die Meinung eines unabhängigen Außenstehenden ein, und da du dich mit Waffen auskennst…« Robin hob die Brauen. »Zu realistisch, sagtest du. Wie stellst du dir die Simu denn vor, wie sie besser wäre?«
»Besser wäre, es gäbe sie nicht. Ich…«
Das Telefon summte. Zamorra griff einen Tick schneller zum Hörer. »Mordkommission Lyon. Was können wir für Sie tun?«
Robin drohte ihm mit geballter Faust und drückte auf die Taste für die Freisprechanlage. »Robin hier. Was…«
Robins Assistent Joel Wisslaire war am Apparat. »Wir haben eine Tote in Charbonnières les Bains.«
Der Chef Inspektor verdrehte die Augen. »Mordfall zehn diese Woche. Man gönnt uns ja sonst nichts. Halt die Leiche fest, dass sie nicht wegläuft. Wir kommen.«
Er legte auf und nickte Zamorra zu. »Kommst du mit, Professor? Wenn du dich am Telefon schon als Angehöriger der Mordkommission meldest…«
»Eigentlich wollte ich Nicole aus irgendeiner Boutique pflücken. Aber wenn ich schon mal irreal tot bin, kann ich mir auch 'ne reale Tote ansehen. Oder für die Absperrung gegen Neugierige sorgen.«
Er steckte die Munitionspackung ein. Dann folgte er Robin auf den Korridor.
***
Die Augen schienen zu glühen. Sie beobachteten den Polizeiaufmarsch. Der Leichnam, an dem er sich gesättigt hatte, war ziemlich schnell gefunden worden. Jetzt würden die Polizisten vor einem Rätsel stehen, das sie nicht lösen konnten. Was auch immer sie an Spuren fanden - sie konnten damit nichts anfangen.
Er knurrte zufrieden. Es war wie immer. In jedem Ort, in welchem er sich niederließ, konnte er ganz nach Belieben töten. Niemand hinderte ihn daran, sich zu sättigen. Niemand begriff, womit er es zu tun hatte - für lange Zeit. Manchmal wurde es jemandem klar und dieser machte sich auf die Jagd.
Aber immer erfolglos. Denn er ließ sich niemals auf eine Auseinandersetzung ein, sondern verließ den Ort und siedelte sich anderswo an. So konnte er überleben, ohne ein Risiko einzugehen.
Diesmal würde es nicht anders sein.
Gespannt wartete er darauf, frustrierte Gesichter derer zu sehen, die er vor ein Rätsel gestellt hatte. Und er freute sich schon auf die nächste Nacht und sein nächstes Opfer…
***
»Wow!«, entfuhr es Zamorra angesichts des neuen Dienstwagens, den der Chefinspektor fuhr. »Haben sie dich befördert, dass du so eine Luxusgurke fahren darfst?«
Robin, der bisher einen halb verrosteten, alten Citroën gefahren war, lenkte jetzt einen fast fabrikneuen Mercedes E 300. Er grinste Zamorra an. »Neidisch? - Ich habe den Wagen einfach requiriert. Der gehörte mal einem Kriminellen und wurde beschlagnahmt. Sollte versteigert werden. Da habe ich ihn einkassiert und dem Polizeipräsidenten begreiflich gemacht, dass mein fossiler CX reif für den Schrott ist. Ich habe den guten Mann mal damit fahren lassen. Nach zweihundert Metern war er überzeugt, und ich durfte mir was aussuchen. Der hier«, er klopfte gegen das Lenkrad, »war der Modernste.«
Zamorra grinste zurück. »Die dümmsten Bauern ernten die größten Kartoffeln, und die«, er hüstelte, »Polizisten bekommen die besten Dienstwagen.«
»Das wird sich erst noch zeigen - zweimal war er schon in der Werkstatt.«
Er fuhr schnell; eine Viertelstunde später erreichten sie den Ortsteil Charbonnières les Bains. Schon von Weitem waren die Blaulichter anderer Polizeiwagen zu sehen. Robin parkte direkt vor der Haustür. Niemand fragte danach; offenbar war Robins neuer Dienstwagen bereits allseits bekannt. Zusammen mit Zamorra betrat der Chefinspektor das Haus. Joel Wisslaire erwartete ihn bereits.
»Sieht ziemlich übel zugerichtet aus, die Tote«, sagte er. »War mal ein verflixt hübsches Mädchen. Wollt ihr euch den Anblick wirklich antun?«
Robin nickte.
»Ich habe da einen Verdacht«, sagte Wisslaire. Er äußerte sich aber nicht weiter dazu, sondern führte die beiden durch die halbe Wohnung ins Schlafzimmer. Dabei trafen sie auf Jerome Vendell, den Chef der Spurensicherung, der seine Leute durch die Wohnung scheuchte.
Im Schlafraum lag die Tote unter einem weißen Tuch. Soeben packte Dr. Henri Renoir seine Sachen zusammen. Der kleine, dürre Mann mit dem wirren Haar und der Rundglasbrille war der Polizeiarzt. Der 55-Jährige war in doppelter Hinsicht der Gegenpol zu Robin: Er glaubte nicht an Übersinnliches, und
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