086 - Das Grab des Vampirs
beenden.“
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Didi.“
„Das wirst du bald erfahren. Albert, kommen Sie! Ich habe einen Auftrag für Sie.“
Die beiden Männer verließen den Raum. Nach etwa fünf Minuten kamen sie zurück. Runge trug einen Holzpflock unter dem Arm, Albert schleppte einen schweren Hammer mit sich herum.
„Was habt ihr vor?“ fragte Ira.
„Wir gehen in den Park. Du bleibst am besten hier.“
Lord Wellsley schloß sich den beiden Männern an. Ira wartete einige Sekunden, dann folgte sie ihnen ebenfalls. Sie hielt es im Schloß nicht aus. Erstaunt beobachtete sie, daß Runge, der Kastellan und der Engländer zu dem Zypressenwäldchen gingen, an dessen Rand sie sich zu mitternächtlicher Stunde mit dem Comte de Rochelles getroffen hatte. Sie beschleunigte ihre Schritte, blieb dann jedoch hinter einem Busch stehen. Albert Maurnier begann mit einer Schaufel, die er unterwegs aufgenommen hatte, zu graben. Die beiden anderen Männer standen daneben und warteten.
Ira konnte sich nicht erklären, was dort am Waldrand geschah. Deshalb schlich sie langsam näher. Albert hatte inzwischen eine Grube ausgehoben. Ira hörte, daß seine Schaufel gegen etwas stieß. Von Runge unbemerkt, trat sie dicht an die Männer heran.
Albert Maurnier stemmte den Deckel eines Eichensarges hoch.
Ira schrie auf. Dietmar Runge fuhr herum, sah sie und zog sie in seine Arme. Sie blickte an ihm vorbei auf den Mann im Sarg.
„Der Comte de Rochelles“, sagte sie mit tonloser Stimme.
Der Graf bot ein Bild des Friedens. Er hatte die Arme locker über der Brust gekreuzt und sah so frisch aus, als sei er eben gerade erst ins Grab gelegt worden. Seine Haut begann sich im Tageslicht jedoch zu verändern. Sie wurde dunkler.
„Das bin ich June schuldig“, sagte Lord Wellsley grimmig.
Er ergriff den Holzpflock und den Hammer, sprang ins Grab hinab und setzte den Keil auf die Brust des Grafen.
„Nein!“ rief Ira. „Das können Sie doch nicht tun!“
Runge hielt sie zurück.
„Graf Marcel wird Ruhe finden“, sagte er tröstend.
Lord Wellsley schlug zu. Das Holz drang in die Brust des Grafen ein. Dieser öffnete die Augen und schrie gellend auf. Seine Hände umklammerten den Pflock, doch bevor sie ihn herausreißen konnten, ließ der Lord den Hammer mit voller Wucht noch einmal herabsausen, so daß sich der Pflock durch das Herz des Vampirs bohrte.
Die Gestalt des Grafen erschlaffte. Seine Hände sanken zur Seite, sein Blick wurde starr.
„Das ist das Ende“, stellte Wellsley fest. „Dieses Ungeheuer wird keine Mädchen mehr töten.“
Er stieg aus dem Grab und stieß den Sargdeckel mit dem Fuß um.
„Schließen Sie die Grube, Albert!“ befahl er.
Der Kastellan griff zur Schaufel und gehorchte.
Dietmar Runge führte Ira behutsam vom Grab weg.
„Es ist vorbei“, sagte er sanft. „Du brauchst keine Angst mehr zu haben.“
Sie griff nach seiner Hand und drückte sie.
„Ich habe keine Angst mehr, Didi“, erwiderte sie.
Gemeinsam drehten sie sich um und blickten zum Grab zurück, das Albert inzwischen wieder zugeschaufelt hatte. Der Kastellan wischte sich die Hände an den Hosen ab.
„Komm!“ sagte Runge. „Wir wollen nach Monsieur Alphonse sehen.“
„Und dann werden wir Koffer packen“, sagte Ira.
„Wollen wir nach Hause fahren?“
„Nein. Wir werden uns einen anderen Ferienort suchen. Vielleicht finden wir noch irgendwo ein Zimmer.“
„Hoffentlich kein Doppelzimmer.“
„Warum nicht?“ fragte sie lächelnd.
„Wir würden uns ja doch nur wieder streiten.“
„Wir könnten es immerhin mal versuchen – oder?“
ENDE
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