086 - Das Grab des Vampirs
er.
„Fahre mir den Wagen nicht kaputt!“
„Keine Angst! Das war nur ein Stein.“
Der Simca war etwa hundert Meter weit zurückgerollt. Runge legte den ersten Gang ein und fuhr wieder an. Er richtete seine Blicke auf das Gras und die Büsche am Straßenrand. Quietschend glitten die Wischer über die Windschutzscheibe.
„Du solltest dir mal wieder ein paar neue Wischer kaufen“, sagte er. „Man sieht ja kaum noch etwas.“
„Seit wir in Frankreich sind, kritisierst du dauernd an meinem Wagen herum. Kaufe dir doch selbst einen, wenn dir meiner nicht gefällt.“
Er ging nicht auf ihre Worte ein. Der aggressive Ton störte ihn. Er führte ihn darauf zurück, daß sie einfach schon zu lange unterwegs waren.
„Da – sieh dir das an!“ Runge hielt. Ira Bergmann beugte sich vor, um besser sehen zu können, was er meinte. Unter einem Busch leuchtete etwas Helles. „Was soll das sein?“ fragte er. Runge öffnete den Wagen und stieg aus. Ira Bergmann drehte das Fenster herunter und steckte den Kopf raus.
„Und deshalb bremst du wie ein Verrückter?“
Dietmar Runge kniete am Straßenrand nieder und richtete sich sofort wieder auf.
„Da liegt ein totes Mädchen“, sagte er.
Jetzt wurde Ira Bergmann aktiv. Sie stieß die Tür auf und kam mit ihrem schußbereiten Fotoapparat angelaufen. „Du denkst nur ans Fotografieren“, sagte er befremdet. „Das ist nun mal mein Beruf.“ Sie schob ihn sanft zur Seite und beugte sich vor, um besser sehen zu können. Als sie die zierliche nackte Gestalt im Gras liegen sah, erstarrte sie jedoch. Unwillkürlich legte sie eine Hand auf Runges einen Arm, als suchte sie bei ihm Halt und Schutz.
„Man hat ihr die Kehle durchgeschnitten.“
Dietmar Runge kehrte zum Auto zurück, holte eine Taschenlampe und richtete den Strahl auf die Tote.
„Nein, Ira. Jemand hat ihr die Kehle durchgebissen.“ „Du bist verrückt!“ Die Fotografin hatte sich wieder gefaßt. Sie umrundete die Tote und machte einige Blitzlichtaufnahmen, während Runge zurücktrat. Er beugte sich erst wieder über die Leiche, als Ira die Kamera sinken ließ.
Sorgfältig betrachtete er sich den zerfetzten Hals des Mädchens.
„Jemand hat ihr die Kehle durchgebissen“, wiederholte er.
„Du willst dich nur interessant machen.“
„Na hör mal, Ira! Von diesen Dingen verstehe ich nun mal was. Schließlich ist das mein Metier.“
„Was soll das, Dietmar? Ich finde dein Benehmen peinlich. Hier ist ein Mord geschehen. Ein junges Ding von vielleicht zwanzig oder zweiundzwanzig Jahren ist umgebracht worden.“
„Das junge Ding ist also etwa so alt wie du.“
„Du solltest die Polizei benachrichtigen und darauf verzichten, mir großspurige Vorträge zu halten.“
„Du glaubst mir nicht?“
„Nein. Was weiß ein Medizinstudent im sechsten Semester schon von solchen Dingen?“
„Gut – lassen wir das. Es ist ja schließlich auch egal, wie das Mädchen umgekommen ist. Das aufzuklären, ist Sache der Polizei.“
„Wer sollte einem Mädchen die Kehle zerbeißen?“
„Ich habe Berichte und Legenden über Vampire gelesen, die in dieser Gegend …“
„Ach du meine Güte! Jetzt willst du mir auch noch einreden, Graf Dracula sei der Mörder.“
„Du läßt mich ja nicht ausreden.“
„Wenn du einen solchen Unsinn von dir gibst, ist das wohl auch nicht nötig.“
Dietmar Runge schwieg verärgert. Er hatte sagen wollen, daß sich überall und zu allen Zeiten abartige Verbrecher durch Erzählungen und Berichte zum Vampirismus hatten verleiten lassen. Das konnte durchaus auch hier der Fall gewesen sein. Selbstverständlich war er als moderner Mensch fest davon überzeugt, daß es echte Vampire nicht gab.
„Also – was tun wir?“ fragte Ira.
Runge ging zum Wagen und setzte sich wieder hinter das Steuer. „Wir fahren zur Polizei in St. Brieuc.“
Ira Bergmann stieg ein. Runge drehte den Zündschlüssel herum, aber der Motor sprang nicht an.
Die Fotografin wartete einige Sekunden, dann fragte sie: „Was machst du denn?“
Runge lehnte sich im Sitz zurück.
„Du darfst kein Gas geben, Dietmar.“
Er versuchte erneut, den Wagen zu starten, aber es klappte nicht.
„Du machst alles falsch“, erklärte sie. „Komm, laß mich mal!“
„Du kannst es auch nicht besser als ich.“
„Immerhin ist dies mein Wagen, und mit dem kenne ich mich aus.“
„Wie du willst.“
Er stieg aus und ging um den Wagen herum, während sie hinter das Lenkrad rutschte. Als sie den Anlasser
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