086 - Das grüne Phantom
auf, also auf Umwegen. Auf Olivaros Insel gab es exotische Tiere und Vögel. Manche von ihnen waren Züchtungen des Dämons selbst, die er in Mußestunden in die Welt gesetzt hatte.
Olivaro beschwor einen besonders farbenprächtigen Vogel und schickte ihn durch Zauber auf Te-Ivi-o-Ateas heilige Insel Raiatea. Dann brauchte er nur noch auf den Dämon zu warten.
Auf Raiatea fiel der unbekannte Vogel Te-Ivi-o-Ateas Dienern auf. Er ließ sich willig von ihnen einfangen, und sie brachten ihn in die große Rundhütte des Dämons. Te-Ivi-o-Atea, der sich irgendwo in der Südsee aufhielt, erhielt die Botschaft, ein merkwürdiges Tier habe sich auf seiner Insel gezeigt. Te-Ivi-o-Ateas Insel befand sich - genau wie Olivaros - in einer magischen Sphäre und war Menschen und Tieren auf normalem Weg nicht zugänglich.
Der Dämon manifestierte sich in Gestalt einer Rauchwolke, die den größten Raum der Rundhütte mit dem Spitzdach erfüllte. Auf vorstehenden Dachsparren der Hütte steckten Totenköpfe. Überall auf der Insel waren Totempfähle mit dem Zeichen des Dämons und monumentale Steinköpfe verstreut.
Die Rauchwolke wurde zu Te-Ivi-o-Atea. Der Dämon zeigte sich in der Gestalt eines großen Polynesiers mit narbentatauiertem Gesicht. Seine Diener, junge Männer und Mädchen von vielen Inseln, hatten sich zu Boden geworfen. Sie trugen den bunt bedruckten Pareo, das Hüfttuch der Insulaner.
Der seltsame Vogel hockte zwischen ihnen, an den Beinen gefesselt.
Te-Ivi-o-Atea sah den Vogel an und wußte, wer ihn geschickt hatte. Solche farbenprächtigen Vögel gab es nur auf Olivaros Insel.
Te-Ivi-o-Atea nahm den Vogel und trug ihn in einen Nebenraum. Dort schlachtete er das Tier, schnitt ihm die Leber heraus und ließ sein Blut in eine Schale mit Wasser tropfen. Aus den Blutschlieren, die sich im Wasser bildeten, las er manches heraus. Das meiste aber erfuhr er durch die Betrachtung der Vogelleber.
Te-Ivi-o-Atea reinigte seine Hände in einer Wasserschale, die ihm zwei hübsche Mädchen reichten. Ohne zu zaudern, kehrte er in den Hauptraum zurück und begann einen Zauber, der ihn auf Olivaros Insel bringen sollte. Als er eine Beschwörung rief, verschwammen die Konturen seines Körpers. Dann war der Dämon verschwunden.
Auf Olivaros Insel zeigte er sich wieder. Olivaro erwartete ihn bereits. Er begrüßte ihn und führte Te-Ivio-Atea in sein Haus auf einer Anhöhe in der Mitte der Insel.
Olivaro pflegte seine durch Magie errichteten Behausungen häufig auszuwechseln. Zur Zeit benutzte er ein Herrenhaus, wie es in den amerikanischen Südstaaten Mitte des 19. Jahrhunderts Mode gewesen war. Der Prunkbau leuchtete weiß, und kunstvolle Säulen trugen das Vordach.
Olivaro und Te-Ivi-o-Atea suchten das Herrenzimmer auf. Ein großer Neger brachte Erfrischungen. Der Südseedämon betrachtete ihn prüfend, und Olivaro machte ein Zeichen mit der Hand.
Die Kleider des Negers lösten sich auf, und das Fleisch fiel von seinen Knochen. Ein Skelett blieb zurück.
„Ein Untoter", sagte Olivaro. „Mit ihnen hat man am wenigsten Probleme."
Eine magische Formel gab dem Bediensteten wieder das frühere Aussehen; er entfernte sich durch die Tür; er hätte auch durch die Wand gehen oder auf andere Weise verschwinden können, aber Olivaro war dafür, gewisse Normen beizubehalten. Wenn man alles unorthodox machen wollte, war das mit Arbeit verbunden und auf die Dauer höchst irritierend und unbequem.
„Ich weiß, weshalb du mich hergerufen hast, mächtiger Olivaro", sagte Te-Ivi-o-Atea, der auch hier als narbentatauierter Polynesier auftrat.
Olivaro, der Dämon mit dem Januskopf, zeigte sein wahres Gesicht. Es hatte einen Stich ins Grünliche, war knochig und fast fleischlos, wirkte kalt und grausam. In den Augenhöhlen wohnte eine unergründliche Schwärze, und die hohe Stirn zeigte in der Mitte ein V-Zeichen. Die Stirn wurde von einem lila Streifen begrenzt, der wie ein Heiligenschein aussah. Schlohweißes Haar wuchs auf seinem Kopf.
Das also war Olivaros wahres Gesicht. Meistens verbarg er es durch magisches Blendwerk. Er tat das, um Menschen wie Dämonen zu täuschen, und in den allermeisten Fällen gelang ihm das auch. „Wir wollen beraten, Te-Ivi-o-Atea", sprach der Janusköpfige. „Du bist einer meiner ältesten und treuesten Verbündeten. Ich kann auf deine Loyalität rechnen?"
Ein lauernder Unterton schwang in der Frage mit. Te-Ivi-o-Atea beeilte sich, Olivaro seine Ergebenheit zu versichern. Er kannte Olivaros Macht und
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