086 - Spukschloss im Mittelpunkt der Erde
Sir !« , sagte sie zu ihrem Nachbarn. »Das wollte ich nicht .«
»Halb so schlimm«, antwortete Eliot Mathews. »Ich heb auch alles
wieder auf«, versprach Myra O'Keefe und handelte
dementsprechend. Sie kroch unter den Tisch, reichte zuerst die Aktentasche in
die Höhe und dann einen Stoß Papiere. Sie klaubte einzelne Blätter zusammen,
dann die Fotos. Es handelte sich um Farbaufnahmen. Zwei Bilder reichte Myra
nach oben. Eliot Mathews nahm sie wortlos entgegen und steckte sie wieder in
die Mappe. Myra nahm das dritte Bild an sich und wollte es schon nach oben
reichen. Da fiel ihr Blick darauf. Was dann geschah, ging allen, die davon
Zeuge wurden, durch Mark und Bein. Myra riss Mund und
Augen auf.
Sie schrie gellend. »Daddy! Die Augen ... das sind ... die
Augen des Monsters !« Dann ging ein Zittern
durch den Körper der fündig Gewordenen. Ihre Finger krallten sich um das
großformatige Foto und zerdrückten es. Myra O'Keefe fiel um wie ein Stein, und Schaum trat auf ihre Lippen. Zuckend lag sie am
Boden. Ein Krampf schüttelte ihren Körper.
●
Rund hundert Kilometer nördlich von Kalkutta entfernt liegt das
Dorf Suboth . Es ist so klein, dass es auf keiner Karte verzeichnet ist, und liegt so weit abseits und am Rand des
Dschungels, dass es nur mit einiger Mühe zu erreichen
ist. Die Menschen dort, in Suboth leben insgesamt
achtundsiebzig, sind Fremden gegenüber scheu und misstrauisch .
Aber weder vor der beschwerlichen Wegstrecke, noch vor den Gefahren des
Dschungels und dem Risiko, von den misstrauischen Dorfbewohnern vertrieben zu werden, fürchtete sich Karlheinz Weyer. Er war
jung, unternehmungslustig und hatte im Laufe vieler Expeditionen Erfahrungen
gesammelt.
Der Deutsche war Reiseschriftsteller. Es gab kaum einen Winkel der
Erde, den Weyer nicht kannte. Die traditionellen Orte und Städte, die
normalerweise von Touristen und Reisegruppen aufgesucht wurden, interessierten
Weyer schon lange nicht mehr. Er bevorzugte das Ausgefallene und
Außergewöhnliche. Das Unentdeckte und Unbekannte wollte er entdecken und in
seinen Schriften beschreiben. Auch heute gab es das noch. Karlheinz Weyer,
vierunddreißig Jahre alt, Globetrotter seit nunmehr zehn Jahren, hatte einige
erstaunliche Entdeckungen gemacht. Gerade der asiatische Raum war immer wieder
für Überraschungen gut.
Weyer, der als Sportlehrer ausgebildet war, hatte eines Tages
seinen Beruf an den Nagel gehängt und sein Hobby zum Beruf gemacht. Das Reisen
in ferne, unbekannte Länder interessierte ihn schon seit eh und je. Er gab dem
Fernweh nach, kratzte sein ganzes Geld zusammen und unternahm die erste Reise.
Sie führte ihn auf die Insel Borneo. Er schrieb darüber einen
Fortsetzungsartikel für eine englische Zeitschrift. Die Honorare benutzte er,
um weitere Reisen zu finanzieren. Er sammelte Kenntnisse über Land und Leute,
machte sich mit den verschiedensten Dialekten vertraut und beherrschte
schließlich außer seiner Muttersprache vier weitere Hauptsprachen perfekt.
In jedem Land der Erde fühlte er sich zu Hause, und seiner
gewinnenden Art verdankte er es, dass er schnell
Kontakt fand. Immer wieder war er in der Abgeschiedenheit auch auf Einheimische
und deren Wissen angewiesen. In einem Elendsviertel von Kalkutta hatte er im
Straßengraben einen abgemagerten jungen Mann gefunden. Niemand kümmerte sich um
ihn. Weyer nahm sich seiner an, gab ihm erst mal etwas zu essen und zu trinken
und verabreichte ihm einige Medikamente aus seiner Reiseapotheke. Saibu kam zu Kräften, sein Fieber ging zurück, und seine
Wunden, in denen sich schon Fliegen und Käfer eingenistet hatten, heilten
schnell ab. Seither wich der Inder nicht mehr von seiner Seite. Weyer war dies
nicht unangenehm, denn er suchte für seinen Vorstoß in den Dschungel von
Bengalen einen Begleiter.
Saibu war ein cleverer Bursche, der nur durch Hunger heruntergekommen war. Er konnte
sich in den beiden größten Sprachen des Landes, Hindi und Bengal ,
perfekt verständigen. Englisch war kein Problem für ihn. Und aus verschiedenen
indischen Dialekten beherrschte er einige Brocken, so dass er sich mit deren Hilfe auch in abgelegenen Winkeln zurechtfand. Außerdem war
ein einheimischer Begleiter, der einen zufriedenen
Eindruck machte, ein gutes Aushängeschild. Gerade jenen scheuen Menschen
gegenüber, die mit der Zivilisation sonst kaum in Berührung kamen.
Als Saibu wieder auf der Höhe war,
weihte Karlheinz Weyer seinen Helfer in seinen Plan ein. Der Mann
Weitere Kostenlose Bücher