086 - Spukschloss im Mittelpunkt der Erde
sein scheint, scheidet aus. Es ist ganz offensichtlich eine
Einbahnstraße .«
Einen Moment schien es, als wolle sie noch mehr sagen, aber sie
verhielt im Sprechen. Morna Ulbrandson blickte sich um und lauschte in sich
hinein. Wie die anderen, so fühlte auch sie nicht mehr die Nähe des
Unsichtbaren. Er schien wieder auf der Oberfläche der Erde zu sein. »Anders ist
es möglicherweise mit dem Weg, den Sie gegangen sind, Mister Weyer ... Der runde
Fleck . Durch ihn kamen Menschen zufällig hierher, ohne das Dazutun des
Unheimlichen. Damals, als es zum Zusammenstoß mit dem Zen-Tempel und dem Castle
kam, wurde eine neue Kraft geschaffen, die er nicht unter seine Kontrolle
gebracht hat. Vielleicht sollten wir hier nachhaken .«
»Es hat keinen Sinn«, schüttelte Nick Michelson apathisch den
Kopf. »Wir kommen hier nicht mehr raus. Wo sollen wir suchen ?«
»Am besten dort, wo Mister Weyer angekommen ist.«
Der Deutsche verdrehte die Augen. »Ich weiß nicht mehr, wie viel Treppen ich gegangen bin ... es sind sicher
Hunderte von Stufen gewesen. Ich muss ganz unten in
einem Turm angekommen sein .«
»Genau das andere Ende des Castles«, bemerkte Morna Ulbrandson.
»Wir kamen hier in dem eckigen Saal an. Ich bin in der Zwischenzeit ein wenig
herumgegangen, aber ganz unten war ich nicht. Ich möchte mir die Turmkammer, in
der sie sich wiederfanden, ansehen .«
Die Einladung, den Körper des Wesens zu sehen, das sie nun als
Geist drangsalierte, interessierte sie wenig. Wenn es eine Möglichkeit der
Befreiung gab, war es sträflicher Leichtsinn, dass sie noch immer hier herumlagen und auf ihr Ende praktisch warteten. Morna
feuerte die anderen an und ging mit gutem Beispiel voran.
Auch ihr fiel jede Bewegung schwer, aber sie zwang sich
aufzustehen.
»Kommt mit !« Sie reichte Conny Michelson
die Hand. »Vielleicht finden wir das Tor nach draußen
... Wenn es wirklich existiert, und es liegt irgendwo dort in der Tiefe eines
der Türme, müssen wir unsere Chance nutzen. Ginge ich nur allein und würde das
Tor finden, brächte ich gewiss die Kraft nicht mehr
auf, noch mal hier hochzukommen und euch Bescheid zu geben .«
Das leuchtete ein.
So rissen sie sich zusammen. Die Willenskraft der Schwedin und
ihre Hoffnung spornten sie an. Jede Bewegung war eine Qual. Selbst das Atmen
strengte sie an. Aber sie machten sich auf den Weg zu der Treppe, die Karlheinz
Weyer hochgekommen war. Steil gewundene Stufen führten in den linken Turm.
Morna forcierte das Tempo, so gut es ging, obwohl sie sich selbst gern einfach
an der Stelle niedergelassen hätte, an der sie gerade stand. Die vier Menschen
taumelten mehr die Stufen nach unten, als sie gingen.
Beim Hinuntergehen packte sie Schwindel, und Conny Michelson kam ins
Straucheln. Karlheinz Weyer, der vor ihr ging, fing sie auf. Sie legten eine
Pause ein. Der Schweiß rann in Strömen über ihren Körper. Sie dampften, als
kämen sie aus einer Sauna.
»Ich kann mir nicht helfen«, sagte Morna einmal. »Aber ich hab das
Gefühl, als hätte die Temperatur ... zugenommen ...« Ihre Stimme klang wie ein
Hauch. Das lange Haar hing verklebt in Nacken und Stirn. Beunruhigt blickte sie
in die Tiefe. Die Treppen schienen kein Ende nehmen zu wollen, und Mornas Augen
verengten sich, weil sie meinte, irgendwo dort unten aus der Tiefe würde ihnen
heißer Dampf entgegenwehen. Aber offensichtlich war dies eine Täuschung.
Keine Täuschung dagegen war das Skelett, das mitten auf der Treppe
vor ihnen lag. Die Knochen waren morsch und fahl und zerfielen, als sie mit
ihren Füßen dagegen stießen. Ein Opfer, das auch irgendwann mal hier angekommen
war und nicht mehr zurückgefunden hatte. Dann waren sie endlich unten. Aber es
zeigte sich, dass eine hinter einem Mauervorsprung
verborgene Treppe noch einen Stock tiefer führte. Karlheinz Weyer schüttelte
den Kopf und wollte nicht weitergehen. »Hier ist der Raum, in dem ich ankam.
Obwohl sämtliche Kammern und Treppenaufgänge sich gleich sind, erinnere ich
mich deshalb genau daran, weil gleich hinter dem ersten Treppenabsatz das
Skelett lag .« Die vier Menschen gingen alle zu Boden.
Sie waren todmüde. Morna nahm ihre Begleiter wie durch einen
Schleier vor den Augen wahr. Die Schwedin wischte sich über die Augen und
erkundete mit ihren Blicken die Umgebung.
Weyer hatte Recht. Die Turmkammer unterschied sich nicht im
Geringsten von den anderen, die sie auf dem Weg nach unten passiert hatten. »Es
ist ... umsonst gewesen«, wisperte Nick
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