0864 - Karas grausame Schwester
untereinander zerstritten waren und nach der Macht gierten.
In diesem Teil des Landes kämpften zwei besonders starke Dämonen gegeneinander.
Einmal der Schwarze Tod mit seinen Helfern, den Skeletten, die auf mächtigen Vogelrücken saßen.
Und zum zweiten Myxin, der Magier, der sich auf seine mächtigen Vampire verlassen hatte. Riesige Fledermäuse, die in den tiefsten und dunkelsten Schluchten lauerten und stets darauf warteten, daß die Dunkelheit über die Welt fiel, um in ihrem Schutz auf Beutesuche zu gehen.
Kara wußte dies und verhielt sich entsprechend vorsichtig. Deshalb beobachtete sie auch den Himmel über sich, der düster war, denn der Widerschein der Feuer aus dem Ort zeichnete sich dort nicht mehr ab. Das düstere und für manche Menschen gefährlich aussehende Grau lag über der einsamen Reiterin, wobei sie, wenn sie den Kopf hob, keinen einzigen Stern erblickte.
Selbst die Gestirne schienen dieses grausame Gebiet zu meiden und hielten sich zurück.
Noch war der Himmel leer. Kara traute dem Frieden trotzdem nicht. Die schwarzen Vampire verstanden es vorzüglich, Deckungen auszunutzen und sich zu verbergen.
Einen Angriff erlebte sie nicht. Der Schimmel trug sie mit langsamen Bewegungen ihrem Ziel entgegen.
Dort, wo Jinneth lebte, war es dunkel. Ihr Haus stand nicht allein, weitere Bauten bildeten eine kleine Siedlung für sich, so etwas wie ein Außenposten.
Sogar eine schmale Gasse teilte die Häuser in zwei Hälften. Von dem Mann wußte Kara, wohin sie zu reiten hatte. Sie wollte nicht unbedingt gesehen werden, deshalb ritt sie weiter an den Rückfronten der Häuser entlang und atmete erst auf, als sie das letzte erreicht hatte.
Dort stieg sie vom Pferd. Sie führte ihren Schimmel noch näher an das Haus heran, flüsterte ihm einige Worte ins Ohr und ließ die Leine aus ihren Fingern gleiten.
Das Pferd blieb stehen, wo es stand, und es würde sich auch nicht vom Fleck rühren.
Noch einmal schaute Kara zum Himmel. Dort bewegte sich nichts. Keine Schatten, die sich aus dem Dunkel der nahen Berge lösten, es war alles friedlich.
Zu friedlich?
Kara wußte es nicht. Die Nacht hatte soeben erst begonnen, sie lag vor ihr, und es konnte sehr viel passieren. Die Luft war hier kalt, und sie roch auch nicht gut. Es war der Gestank von Verbranntem, der hoch in den Bergen aus den Spalten und Rissen des dunklen Vulkangesteins stieg. In den Tiefen dieses mächtigen Gesteins brodelte und kochte es immer, und es war schon mehr als einmal zu gefährlichen Ausbrüchen gekommen. Dann war tatsächlich die Hölle ausgebrochen. Die Glut hatte sich über die Hänge gewälzt, alles zerstörend und verdampfend. Sie war bis in die Täler hingekrochen, hatte sich dort ausgebreitet und die Bäche verstopft, so daß es immer lange Zeit dauerte, bis sich das Wasser eine neue Bahn gegraben hatte.
Auch Ortschaften waren unter der Glut begraben worden. Es hatte nie viele Tote gegeben, denn die Menschen hatten sich immer früh genug zurückgezogen.
Erst als Kara so gut wie sicher war, daß ihr keine Gefahr aus der Höhe drohte, bewegte sie sich leichtfüßig auf das Ziel zu und blieb an der Rückseite des Hauses stehen.
Dort lauschte sie.
Kein Geräusch drang aus den beiden kleinen Fenstern. Es waren nur mehr Luken in der hellen Wand, dunkle Löcher, durch die nicht mal das Atmen eines Menschen drang.
Das gefiel Kara überhaupt nicht. So still konnte niemand sein, es sei denn, er war tot.
Die dunkelhaarige Frau rechnete auch damit, und sie fragte sich schon jetzt, was ihr Vater wohl dazu sagen würde, wenn sie ihm diese Nachricht überbrachte.
Noch war es nicht soweit. Noch mußten sie sich selbst davon überzeugen.
Sie ging an der Hausseite vorbei. Der Boden hier war dunkel und uneben. Er bestand aus Lavagestein, das irgendwann einmal erkaltet war und diesen unebenen Belag gebildet hatte.
So gut wie nichts war zu hören.
Kara bewegte sich lautlos. Sie glich schon einem Schatten, der die Nacht verschluckt hatte.
Dann hatte sie den Eingang erreicht. Noch betrat sie das Haus nicht. Sie schaute erst zu den anderen Fenstern und Türen hin.
Es war stockfinster, es war still, und Kara vermutete, daß die Menschen diese Ansiedlung verlassen hatten.
Wenn ja, warum hatten sie es getan? Wußte sie, daß der Tod in irgendeiner Form auf sie lauerte und darauf wartete, sie vernichten zu können?
Kara wollte und würde die Antwort finden, auch wenn Jinneth nicht mehr lebte.
Die Tür war nicht ganz geschlossen.
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