0864 - Karas grausame Schwester
lassen, und Kara fand einen Ausweg. Sie drehte sich und huschte in eine schmale Gasse zwischen zwei Bauten hinein.
Sie rannte hindurch. Dabei drehte sie Roya den Rücken zu und fürchtete sich davor, daß ihr Roya die Klinge in den ungedeckten Körper schleuderte.
Das geschah nicht.
Roya wollte es wohl anders haben und trieb Kara am Ende der Gasse nach links, wo weniger Häuser standen und dafür kleine Felsen wie Buckel aus dem Boden ragten. Nicht weit entfernt erstreckte sich ein Gemäuer.
Dort huschte Kara hin.
Und dort mußte sie sich auch stellen, denn die Zeit, die Mauer zu überklettern, hatte sie nicht. Sie hatte sich selbst in eine gefährliche Lage gebracht, drehte sich um, jetzt die Steine und auch die Mauer im Rücken, aber Roya vor ihr.
Die Blonde grinste bissig.
»So!« flüsterte sie. »Hier ist dein Weg zu Ende, Kara. Hier wirst du dein Leben lassen, Schwester.«
Besonders das letzte Wort sprach sie bissig aus, aber voll des Sieges.
Dann kam sie.
Und sie schlug zu.
Kara staunte, wie schnell und locker Roya ihre Waffe noch bewegte. Auch ein Zeichen dafür, wie oft sie schon gekämpft hatte. Es gab für Kara keinen Ausweg, das stand fest. Sie konnte nicht mehr zurück, die Felsen versperrten ihr den Weg, sie mußte sich einfach stellen.
Die ersten Schläge prasselten auf sie nieder. Klinge gegen Klinge. Kara spürte die Wucht, die hinter diesen Treffern lag. Daß sie ihre Waffe überhaupt halten konnte, glich einem kleinen Wunder. Sie wehrte mit dem Mut der Verzweiflung ab, zu mehr kam sie nicht.
Das Klingen des Stahls schrillte in ihren Ohren. Der Tod schrie bereits nach ihr.
Roya stieß erneut zu.
Kara erwartete den alles verzehrenden Schmerz, dem der Tod folgte, doch der trat nicht ein. Roya hatte nicht getroffen, denn Kara war es trotz allem gelungen, sich zu bewegen. In einem Reflex, der allein durch den Überlebenswillen diktiert wurde, war sie zur Seite gewichen. Die Schwertspitze hatte sie verfehlt, sie war gegen den Felsen geprallt und von dort abgerutscht, aber von Kara aus gesehen nach links hin. Die Frau wurde an der Hüfte getroffen.
Da spürte sie den Schmerz, da quoll das Blut. Darum kümmerte sie sich nicht, denn sie hatte etwas anderes gesehen.
Roya war nicht unbesiegbar. Sie hatte zwar mit dem Schwert getroffen, aber in der Hauptsache einen harten Stein.
Das Schwert brach nicht, aber er brachte einen so starken Gegendruck, daß Roya die Waffe aus der Hand geprellt wurde.
Roya verlor die Übersicht, griff zwar nach ihrer Waffe, verfehlte aber den Griff und stand plötzlich ohne Schwert da.
Im Gegensatz zu Kara.
Die hielt ihr Schwert fest, hatte aber Mühe zu begreifen, und erst nach einigen Sekunden wälzte sie sich herum, sah, welche Chance ihr das Schicksal in die Hand gegeben hatte, und schlug mit der flachen Seite der Klinge zu.
Roya erwischte der Schlag in den Rücken. Sie taumelte an den Felsen entlang, sie schrie dabei auf, stolperte und fiel bäuchlings zu Boden, wo sie liegenblieb, ebenfalls erschöpft.
Auch wenn Kara fast das Ende ihrer Kräfte erreicht hatte, war plötzlich der Siegeswille in ihr hochgeschossen, sie wollte nicht sterben, und sie schwang trotz der blutenden Verletzung ihren Körper herum. Hoch führte sie das Schwert, bevor es in einem Boden nach unten glitt und ein Ziel fand.
Es war der Nacken der Blonden!
Kara zitterte so stark, daß sie ihre Waffe nicht ruhig halten konnte. Deshalb zuckte die Spitze über die Haut der anderen hinweg und hinterließ dort eine kleine Wunde, die aussah wie ein zittriger roter Streifen.
Aus Karas Mund drang kein einziges Wort. Sie war im Moment nicht in der Lage zu sprechen. Zudem brauchte sie es auch nicht, denn Roya wußte, wie es um sie stand.
Flach lag sie auf dem welligen Felsboden, die Schwertspitze im Nacken. Sie hörte Karas Fauchen, und sie wartete auf den tödlichen Stoß.
Mit diesem Vorsatz hatte Kara zumindest gedanklich gespielt. Es war so einfach. Sie brauchte die Klinge nur der anderen in den Hals zu bohren.
Sie tat es nicht.
Sie war keine Mörderin.
Was ihr in den folgenden Sekunden durch den Kopf schoß, das wußte sie nicht genau. Aber es waren Dinge und Regeln, die Delios ihr beigebracht hatte.
Dazu gehörte unter anderem, das Leben des anderen so gut wie möglich zu schonen, auch wenn es der Feind war. Das Leben mußte also höchstes Gut über alles gestellt werden.
So auch hier.
Roya hatte sie töten wollen, und sie hätte auch keine Gnade gekannt, aber die Dinge hatten
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