0864 - Karas grausame Schwester
unterschieden, um dick befreundet zu sein. Sie hatten sich letztendlich akzeptiert, und nur das zählte. Hinzu kamen ihre verschiedenen Charakter.
Auf der einen Seite stand Kara, die den geraden Weg gehen wollte, denn Vater Delios war ihr ein guter Lehrmeister gewesen. Auf der anderen hatte sie es mit Roya zu tun gehabt, einer Person, die nicht so dachte wie Kara. An ihr hatte sie viel vermißt, besonders kurz vor dem Verschwinden war ihr wahrer Charakter zutage getreten. Roya hatte sich immer mehr negativ entwickelt, und Kara erinnerte sich gerade jetzt, wo sie den Gesang hörte, an eine Szene, als Roya einer harmlosen Katze einfach den Hals umgedreht und dabei noch gesungen hatte.
Das wollte ihr nicht in den Kopf - damals.
Und heute?
Sie spürte genau, wie etwas Bedrohliches von diesem Gesang abstrahlte. Es traf sie tief in ihrem Innern. Diese Töne und Laute waren wie ein Messer, das durch ihre Seele schnitt. Sie spürte plötzlich die kalte Angst, aber es war eine veränderte Furcht, nicht mehr nur vor dem Wasser und vor den Kräften, die sie dem Strand der Toteninsel entgegentrieben.
Die Furcht vor Roya.
Sie war böse geworden, die alten Gerüchte schienen sich zu bewahrheiten. Zudem hatte Kara das Gefühl, von dieser Person beeinflußt zu werden. Nicht nur sie allein, denn auch das Schiff und selbst die Wellen schienen Roya zu gehorchen.
Das Boot fuhr, wie sie es wollte.
Und die gefährlichen Klippen kamen immer näher. Es hielt genau seinen Kurs, trotz des zerstörten Ruders. Das Segel war gebläht. Es knatterte über ihr, und manchmal hörte es sich an, als würde jemand vor Angst mit den Zähnen klappern.
Längst waren sie in unruhiges Gewässer gelangt. Das Schiff schaukelte von einer Seite zur anderen, es krängte über. Kara blieb auf ihrem Platz, sie hielt sich fest. Die Sonne schickte ihre gleißenden Strahlen über die Insel hinweg. Gischt umsprühte das Boot. Wenn die Tropfen in die Strahlen der Sonne hineingerieten, schimmerten sie auf wie wertvoller Schmuck. Manchmal war die Sicht frei, dann konnte Kara einen Blick auf den Strand erhaschen, wo sich eine Gestalt abzeichnete, zumindest glaubte sie das.
Viel wichtiger aber waren andere Dinge.
Aus dem Wasser ragten die Felsen hoch. Zwar sahen sie im ersten Moment aus wie geschliffen, aber das waren sie nicht. An den Rändern zeigten sie Risse, da waren sie an den Seiten manchmal spitz wie Messer, die alles aufschnitten, was sich ihnen in den Weg stellte, auch Bootskörper, das wußte Kara.
Sie kamen nicht weg.
Sie würden die Felsen berühren, und sie würden nichts dagegen tun können, denn die Strudel spielten mit ihnen und dem Boot. Das war nicht nur Kara klar, das wußten auch die anderen Mitglieder der Besatzung. Einer nur versuchte, breitbeinig und mit schlingernden Schritten an sie heranzukommen.
Hin und wieder bekam er einen Schub, er stolperte, er rutschte, dann taumelte er auf Kara zu, wobei er sich im letzten Moment noch abdrehte und neben ihr gegen die Reling fiel, wo er sich festklammern konnte. Er schaute Kara an, und die sah die Angst in Oktavians Augen, der auf dem Schiff der Kapitän war.
»Wer singt dort?«
Kara hob die Schultern.
Der Kapitän lachte. »Es ist eine Sirene. Einer dieser verfluchten Sirenen, von denen andere Seefahrer berichtet haben. Ich weiß, was geschieht.« Er holte tief Luft, und sein Gesicht verzerrte sich.
»Sie lockt mit ihrem Gesang die Schiffe zwischen die Klippen. Es gibt keine andere Chance mehr. Wir werden zerschellen.«
»Ich kann nichts dagegen tun.«
Oktavian überlegte einen Moment. Dann duckte er sich, als eine Gischtwolke über Bord sprühte. Er wischte sich Tropfen aus dem Gesicht und nickte. »Ja, wir können nichts dagegen tun. Die anderen Kräfte sind stärker, viel stärker. Die Götter sind gegen uns, sie zürnen, sie haben die Sirene geschickt, und es nutzt uns nicht mal etwas, wenn wir uns Tücher in die Ohren stecken.«
Kara enthielt sich einer Antwort. Sie hatte sich auf den Felsen konzentriert, der plötzlich aus dem Wasser hervorschaute, als wäre er von unten in die Höhe geworfen worden. Für einen Moment fing sich ein Sonnenstrahl auf seinem glatten Kopf, blendete Kara, die automatisch die Augen schloß und sie auch geschlossen hielt, als sie das schlimme Geräusch hörte.
Am Heck erwischte es das Schiff!
Das Krachen und Donnern vermischte sich mit den Schreien der Männer. Das Schiff drehte sich doch. Kara hatte Glück gehabt. Sie war auf den Anprall vorbereitet
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