0865 - Auf ewig verflucht?
das Geheimnis des Zimmers erlebt. Er wußte jetzt, wie das Grauen aussah.
Es war ein Vampirgesicht!
Der junge Priester spürte die Spannung, auch die klebrige Furcht in sich, aber er empfand auch so etwas wie eine stille Freude, daß es ihm gelungen war, das Rätsel zu lösen.
Geschafft!
Er hatte es geschafft!
In diesen Momenten vergaß er seine Verletzung. Es kam ihm nicht mal in den Sinn, kehrtzumachen und John Sinclair Bescheid zu geben. Für ihn hatte die Hölle eine ihrer Türen geöffnet und ihm das Grauen gezeigt. Deshalb fühlte er sich aufgefordert diesen Kampf anzunehmen und das Grauen zu stoppen.
Das Gesicht blieb. Es schimmerte in einem Ockergelb, mit einem Stich ins Braune versehen. In ihm selbst und auch in seiner Nähe zeigten sich Risse und Spalten, als wollten sie das Gesicht jeden Augenblick sprengen, was aber nicht geschah.
Es blieb, und er grinste!
Die Kälte, die es ausstrahlte, traf den Priester tief. Hinzu kam noch etwas anderes. Da mischte sich in den kalten Ausdruck der Augen eine gewisse Faszination, der sich Ernesto Dorani nicht entziehen konnte.
Er mußte bleiben.
Er wollte bleiben.
Aber nicht aus eigenem Antrieb, denn das Gesicht sandte ihm eine Botschaft zu, die sich allein auf ihn bezog.
Komm! Komm her, lockten die Augen.
Der junge Priester war irritiert. Er kam mit der neuen Lage nicht zurecht. Da hatte sich jemand mit ihm in Verbindung gesetzt, nur war es ihm nicht möglich gewesen, herauszufinden, wieso das hatte geschehen können. Der Mund hatte sich nicht bewegt, er hatte keine Stimme gehört, und trotzdem hatte jemand geredet.
Das Gesicht?
Es steckte in der Wand, es war nicht normal, es hätte nicht sprechen können, und trotzdem hatte er die Worte gehört.
Und er ging.
Es war ein Wahnsinn. Ernesto Dorani hatte in diesen Momenten alles vergessen. Es gab nichts mehr, was ihn noch hätte zurückhalten können. Er mußte einfach weitergehen, dieses Gesicht war für ihn das Wichtigste überhaupt in seinem Leben.
Alles andere gab es nicht mehr. Das Gesicht, der Mund, die kobaltblauen Augen, in deren Blick die Faszination des Bösen eingepackt worden war. Sie waren es, die ihn überzeugten und dafür sorgten, daß er nur den einen Weg ging.
Er nickte.
Ich komme schon. Ich komme schon…
Die Gedanken hämmerten, in seinem Kopf. Der Wille war einfach da. Er wollte den unmittelbaren Kontakt, er wollte nicht mehr der Mensch sein, der er einmal gewesen war. Jetzt gab es nur das Gesicht. Es zog ihn wie magisch an. Die große Faszination war einfach da, sie überschwemmte ihn.
Auch als er vorbeischauen wollte, schaffte er dies nicht, er sah nur das Gesicht.
Die Augen lotsten ihn weiter.
So blau, so gnadenlos, so gefüllt mit Dingen, über die er kaum nachzudenken wagte. Das andere Leben lag hinter ihm, er mußte jetzt zu diesem Gesicht in der Wand, das seine Starre längst verloren hatte und dabei war, sich zu bewegen.
Der Mund grinste, die Augen schauten kalt, die Stirn war von einem Muster aus Falten bedeckt, es konnten auch Risse sein, aber er sah keine Haare. Er sah, die Umgebung des Kopfes überhaupt nicht, denn das Gesicht hatte keine Abgrenzung. Es ging übergangslos in die Wand hinein, es war voll und ganz in sie integriert, und darüber kam er nicht hinweg.
Aber er ging.
Die Wand war das Ziel. Das Gesicht hatte ihn längst in seinen Bann geschlagen. Und wo er Furcht hätte empfinden müssen, empfand er plötzlich eine wahnsinnige Neugierde und gleichzeitig eine Gier, sich dem Gesicht hinzugeben.
Dann war er da.
Kurz zuvor hatte er noch die Arme nach vorn gestreckt und die Hände ausgebreitet. Die gespreizten Finger berührten das Gesicht. Er fand keinen Widerstand, und er glaubte, keinen toten Abdruck in der Wand zu sehen.
Das Gesicht lebte!
Es bewegte sich, es lockte ihn. Hätte es Hände gehabt, so hätte es Dorani anfassen können. Das fremde Gesicht befand sich mit seinem auf derselben Höhe. Er hätte sogar den Mund küssen können, und als er nur mehr einen winzigen Schritt von diesem schrecklichen Abbild entfernt war, spürte er den Sog.
Dagegen kam er nicht an.
Der Sog zog ihn nach vorn. Er fiel dem Gesicht entgegen. Keinen Halt fand er, das Gesicht war stärker, und der Priester sah noch, wie sich das Maul noch weiter öffnete. Gleichzeitig hatte er den Eindruck, als wäre sein Holzkreuz glühend heiß geworden. Es war dabei, sich in seine Haut zu brennen, es wollte ihn vernichten, es wollte ihn, ihn…
Seine Gedanken sackten weg.
Längst
Weitere Kostenlose Bücher