0865 - Auf ewig verflucht?
schon in der Mauer steckt, weiß ich nicht, jedenfalls wird es Zeit, daß er sein untotes Dasein verliert, denn wir wissen jetzt, wer das Blut der Menschen getrunken und sie zu Vampiren gemacht hat.«
Ernesto schwieg. Ich schaute mich nicht nach ihm um. Mich interessierte nur das eingemauerte Gesicht, aus dem mir so unendlich viel Böses entgegenstrahlte.
Aber das blieb nicht so.
Das Gesicht veränderte sich. Da es auf eine gewisse Art und Weise auch menschlich war, vollzog sich diese Veränderung ebenfalls auf eine menschliche Art und Weise.
Zuerst verloren die Augen ihren bösen, blutgierigen Ausdruck. Das Blau blieb zwar noch, aber es war ihm anzusehen, daß sich ein Gefühl der Furcht hineinschlich.
Zuerst die Furcht, dann die Angst!
Eine grausame, eine kalte, eine mörderische Angst, über die ich mich, sofern sie einen Blutsauger betraf, immer wieder freute. Auch ich bin nur ein Mensch, und ich genoß in diesem Augenblick das Gefühl der Macht, die ich über das Böse hatte.
Ja, ich war der Mächtige.
Mein Kreuz half mir dabei.
Näher und näher geriet es an die Wand heran und damit auch an das widerliche Vampirgesicht. Die Chancen, mir jetzt noch zu entkommen, waren gleich null.
»Wer bist du?« Ich hatte ihn angesprochen in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten.
Die erhielt ich nicht. Nur die Lippen bewegten sich in einer Art und Weise, als wären sie aus Gummi.
Mein Lächeln blieb.
Dann stieß ich das Kreuz vor.
Ich hatte mit und ohne Widerstand gerechnet, auch mit einer weichen Masse innerhalb der Wand, aber nichts davon war zu spüren. Nur ein grelles Licht blendete mich, und gleichzeitig hörte ich einen fürchterlichen Schrei, wie er unmenschlicher nicht mehr sein konnte. Der Schrei jagte nicht durch den Raum, er wütete woanders hinein. Er durchfloß die Dimensionen, in die ich keinen Einblick hatte. Er tauchte einfach ab in die Unendlichkeit.
Auf irgendeine Art und Weise gelang es mir sogar, den Schrei optisch zu verfolgen. Das hört sich zwar unsinnig an, war aber nicht so, denn mir gelang ein Blick in die Mauer.
Dort drehte sich das Gesicht hinein wie in einen düsteren Tunnel. Es bestand nur mehr aus hellen Fetzen, die nicht mehr so hell blieben, denn das Gesicht verhielt sich so wie jeder Vampir, der die Macht des Kreuzes zu spüren bekommen hatte.
Es bekam eine andere Farbe, verdunkelte sich - und es löste sich plötzlich auf.
Als dunkle Fetzen wirbelte es davon. Es war mir gelungen, den namenlosen Vampir zu vernichten, und ich spürte so etwas wie eine tiefe Befriedigung, als ich gegen die jetzt leere und normale Stelle in der Wand leuchtete und mich dann erst langsam zu Ernesto umdrehte.
Der hatte zugeschaut. Vom Lichtstrahl getroffen, sah sein Gesicht noch bleicher und käsiger aus, als es ohnehin schon war. Er schüttelte den Kopf, ohne daß er etwas gesagt hätte. Seine Augen hatten einen stieren Blick bekommen, und erst als er mein Lächeln sah, da ging es auch ihm wieder besser.
»Geschafft?«
»Ja.«
Ernesto preßte die Fingerspitzen gegen die Stirn. »Mein Gott«, flüsterte er, »wer hätte damit rechnen können, daß dieses Haus ein derart schreckliches Geheimnis birgt? Ich nicht, verdammt, ich bestimmt nicht.«
»Das war einmal.«
»Gut, John, gut.« Er nickte. »Aber wir sind doch nicht aus dem Schneider, oder?«
»Wohl nicht.«
»Da draußen warten noch die Killer.«
Ich half ihm auf die Beine. »Zunächst können wir froh sein, daß dieses Haus wieder normal ist. Es wird, wenn ich das mal so sagen darf, keine Vampire mehr produzieren.«
Er dachte einen Moment nach. »Ja, du hast recht. Die… die Blutsauger draußen müssen Opfer von ihm gewesen sein.« Er ballte die Hand zur Faust. »Aber die sind noch da.«
»Bestimmt.«
»Und die drei Mafiosi auch.«
»Darauf kannst du dich verlassen. Sie werden sauer sein, wenn sie keinen Nachschub an lebenden Toten mehr produzieren können. So leicht können sie dann ihre Feinde nicht mehr verschwinden lassen.«
Der Pfarrer überlegte einen Moment. »Ich frage mich, ob sie es schon wissen.«
»Woher sollten sie? Dieser Raum hat keine Fenster, und die Killer haben keine Röntgenaugen. Nein, nein, sie werden von dem nichts mitbekommen haben, denke ich.«
»Das werden wir ja sehen. Es bleibt, wie es gewesen ist, John, wir müssen den Ausbruch versuchen.«
»Richtig. Allerdings bei Dunkelheit. Ich glaube kaum, daß diese Männer mit Scheinwerfern ausgerüstet sind, die das Haus von vier Seiten
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