0865 - Aus Tinte geboren
seines ermordeten Vorgängers, des echten Lucifuge Rofocale, übernommen hatte. Er dagegen mochte sie nicht, weil sie nach Höherem strebte - speziell nach seinem Thron, und begonnen hatte, heimliche Intrigen gegen ihn zu spinnen.
Aber dass er so weit ging, damit hatte sie nicht gerechnet. Schon gar nicht nach so kurzer Zeit! Und das genau in dem Moment, in welchem sie höchstes Lob und Anerkennung einholen wollte!
Es war ein Fehler gewesen, auch ihn einzuladen. Hätte sie ihn einfach ignoriert und die Veranstaltung ohne ihn durchgezogen, wäre das weitaus besser gewesen. Dann hätte er allenfalls im Hintergrund gegen sie intrigieren können, im Nachhinein, und hätte damit die schlechteren Karten gehabt. Man hätte ihm vorgeworfen, Stygia den Erfolg nicht zu gönnen.
Aber so hatte er sie eiskalt erwischt und unglaubwürdig gemacht. Es spielte keine Rolle mehr, dass sie tatsächlich für Zamorras Ableben gesorgt hatte.
Aber riskierte er damit nicht für sich selbst alles? Wenn Zamorra nirgends mehr auftauchte, musste doch auch der Dümmste irgendwann merken, dass Stygia die Wahrheit gesagt hatte!
Doch ihr wurde rasch klar, dass er gar nichts riskierte. Er würde einfach behaupten, er selbst habe Zamorra nun umgebracht. Und damit stieg sein Ansehen noch mehr, während Stygia auf keinen grünen Zweig mehr kam.
»Und ich kann ihn nicht mal umbringen, weil das gegen dämonisches Recht verstößt…«
Man würde sie vor ein Tribunal stellen und aburteilen. Selbst wenn sie einen anderen mit dem Mord beauftragte und danach zum Schweigen brachte, würde klar sein, dass sie sich für ihre heutige Demütigung rächte. Sie musste sogar aufpassen, dass ihm nicht von anderer Seite her etwas zustieß. Alles würde auf sie zurückfallen, ob zu Recht oder nicht.
Aber seinen Spion konnte sie aufspüren und töten. Natürlich nicht bei dem Verhör in seinen Räumen, das Lucifuge Rofocale ihr angeboten hatte. Aber er würde ja weiterhin seinem Auftrag folgen, den Erbfolger zu beobachten. Dabei konnte sie ihn erwischen.
Sie verließ ihren Palast und wechselte in die Welt der Menschen.
***
Im Château Montagne begab sich Butler William in Richtung Keller, um einige Arbeiten durchzuführen. Er musste unbedingt Ordnung in das Chaos bringen, das der Jungdrache Fooly und Rhett vor ein paar Tagen dort angerichtet hatten, als sie auf die Idee kamen, Spinnen und Kellerasseln vermittels Foolys Drachenmagie zu vertreiben.
Beide Übeltäter hatten nach der üblichen Standpauke schon Ordnung geschaffen, so gut es ging, aber für die hohen Ansprüche des Butlers war dies natürlich bei Weitem nicht gut genug.
Dem Labyrinth unterhalb von Château Montagne hielt William sich beim Aufräumen fern. Die angrenzenden Kellerräume, deren Treppen, Gänge und Kammern vor fast einem Jahrtausend durch Sklavenarbeit und die Schwarze Magie von Leonardo deMontagne im massiven Fels angelegt worden waren, hatte Professor Zamorra bis heute noch nicht vollständig erforscht. Und William hegte keinen Ehrgeiz, ihm da vorzugreifen.
Denn hin und wieder konnte man dabei kleine, unangenehme Überraschungen erleben…
William konnte gut und gerne darauf verzichten. Sein Forscherdrang war ohnehin nur rudimentär vorhanden, außerdem war er der Ansicht, dass sich der Schlossherr persönlich um solche Dinge kümmern sollte. Das hatte er schon so gehalten, als er noch in Schottland für Lord Bryont Saris ap Llewellyn, Sir Rhetts Vater, arbeitete.
William wollte lieber einige alkoholische Kostbarkeiten für den Abend bereitstellen. Schließlich zählte das mit zu seinen Aufgaben. Auf Abenteuer mit Dämonen, Werwölfen oder Vampiren konnte er dagegen gut verzichten.
Ihm genügte es zu wissen, dass in seinem zuständigen Bereich alles in Ordnung war. So lange überall Sauberkeit herrschte und seine Herrschaften zufrieden waren, war auch der Butler den Umständen entsprechend froh.
Nach vollbrachter Arbeit im Keller gedachte er zwei Flaschen Wein aus den immensen Vorräten nach oben zu bringen. Lady Patricia war bestimmt an einer Flasche interessiert. Falls nicht, würden Professor Zamorra oder Mademoiselle Duval gewiss dankbar sein. Und falls niemand eine zweite Flasche trinken wollte, würde William sich nach Feierabend selbstlos opfern.
Edel sei der Mensch, hilfreich und gut , dachte er und grinste dabei. Ich bin es - heute zu mir selbst.
Er wählte einen trockenen Rotwein für die Herrschaften aus und einen halbtrockenen für sich. Beide Flaschenhälse hielt
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