0865 - Aus Tinte geboren
und diese Grundstimmung hatte sich auf ihn übertragen.
Er war ein Erscheinung, wie sie nur Magie hervorrufen konnte. Etwas Künstliches, Untypisches und Fremdes im Multiversum. Etwas, das es im Grunde nicht geben konnte.
Ein Dämon, geboren aus Tinte und Magie.
Er war sich dessen bewusst, doch es war ihm egal.
Er lebte, das allein zählte für ihn.
Er wusste nicht, dass er irrational reagierte. Er saugte alles Wissen wie ein Schwamm auf und konnte in Ruhe seine Umgebung beobachten, aber genau im falschen Augenblick überschwemmte ihn dieser verfluchte Zorn.
Und dann gab es noch etwas, das ihn innerlich vorantrieb ohne dass er genau wusste, was es war.
Dafür hasste er sich, denn er wollte sein Handeln selbst bestimmen.
***
Stygia fragte sich, ob Lucifuge Rofocales Spion die Hölle inzwischen wieder verlassen hatte und auf seinem »Horchposten« war. Immerhin musste er für seinen Herrn und Gebieter immer neue Informationen beschaffen, und der würde ihm kaum eine noch so geringe Ruhezeit gewähren. War er schon hier, brauchte Stygia nicht so viel Zeit zu vergeuden. Andererseits - Zeit war etwas, das sie jetzt im Überfluss hatte.
Denn in der Hölle konnte sie momentan nichts tun, um ihre Reputation wiederherzustellen.
Sie wagte nicht daran zu denken, dass Lucifuge Rofocale seinen Informanten jetzt anderswo einsetzte. Dann konnte sie ihn lange suchen. Die Welt der Menschen war nicht gerade klein.
Sie überlegte, wo er sich zuletzt aufgehalten hatte. Etwa in der Nähe der Schule, zu der Rhett Saris täglich gebracht wurde?
Wo sie die fand, wusste sie. Vor Jahren hatte sie selbst mal versucht, den Erbfolger zu töten. Aber es war ihr bedauerlicherweise nicht gelungen.
Vielleicht befand sich der Spion ja in dieser Gegend. Was auch immer er da herausfinden sollte.
Vor Ort zog Stygia ihre Kreise. Mit ihren dämonischen Sinnen lauschte sie, versuchte eine andere dämonische Aura aufzuspüren.
Bedauerlicherweise hatte sie sich die des Spions nicht eingeprägt. Das erschwerte ihre Suche erheblich.
Nichts…
Nichts…
Nichts…
Und dann war da doch etwas. Sofort konzentrierte sie sich darauf und wurde fündig. Dabei konnte sie sich natürlich nicht selbst abschirmen, sodass er sie sogleich bemerkte.
Sie teleportierte sich zu ihm.
»Was treibt dich zu mir, Fürstin?«, fragte er. Natürlich kannte er sie, aber was sie von ihm wollte, ahnte er nicht. Er war ja selbst bei ihrer Niederlage-Show nicht dabei gewesen. Er wusste auch nicht, dass Lucifuge Rofocale seine Information als Waffe gegen sie eingesetzt hatte. Er hatte ihm nur mitgeteilt, dass er Zamorra, Patricia Saris und den Erbfolger zusammen im Auto gesehen hatte, zu einer etwas ungewöhnlichen Uhrzeit - es war noch längst kein Unterrichtsschluss gewesen.
»Was mich treibt? Die Neugier«, sagte sie. »Du hast Lucifuge Rofocale heute etwas erzählt, nicht wahr? Erzähle es auch mir!«
»Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte. Ich bin nicht der Fürstin der Finsternis unterstellt, sondern Satans Ministerpräsident.«
»Du wirst es tun, weil ich dich sonst töte«, sagte sie.
Er sah sie überrascht an, und er erkannte die Drohung und ihre wilde Entschlossenheit in ihren Gesichtszügen. Sie meinte es ernst!
Und sie war dazu fähig. Er war nur ein niederer Dämon, der Lucifuge Rofocales Schutz genoss. Aber der Erzdämon konnte ihn nur schützen, wenn er wusste, was geschah. Jetzt wusste er es jedoch bestimmt nicht.
Stygia dagegen war eine sehr mächtige, sehr starke, sehr hochstehende Dämonin. Sie konnte ihn jederzeit mit einer Handbewegung in die Tiefen des ORONTHOS fegen.
»Verschone mich, Fürstin«, bat er. »Ich sage dir alles, was du wissen willst.«
»Was hast du Lucifuge Rofocale erzählt?«, wiederholte sie ihre Frage.
»Ich sah den Dämonenmörder Zamorra, Patricia Saris und den Erbfolger zusammen im Auto von der Schule in Roanne fortfahren.«
»Du lügst!«, schrie sie ihn an.
»Aber nein, Fürstin! Es ist die Wahrheit! Warum sollte ich lügen? Mit einer Lüge kann ich doch nichts gewinnen. Lucifuge Rofocale würde es herausfinden und mich dafür töten! Aber ich hänge an meinem Leben!«
»Vielleicht nicht genug«, zischte Stygia. »Ich weiß , dass Zamorra tot ist! Tot, verstehst du? Denn ich habe selbst dafür gesorgt, dass er starb! Und das zu einer Zeit vor deiner angeblichen Beobachtung!«
Der Spion zitterte. »Ich habe keinen Grund, an deinen Worten zu zweifeln, Fürstin. Aber ich weiß, was ich gesehen habe. Und ich
Weitere Kostenlose Bücher