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0866 - Die Herrin der Raben

0866 - Die Herrin der Raben

Titel: 0866 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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wieder auf seinem Hotelbett gemütlich machen wollte.
    Nicole nickte und schlüpfte in ihren eng anliegenden schwarzen Lederoverall. Sie steckte den Dhyarra ein. Dann alarmierte sie Bruder Claudius.
    Mit dem Mietwagen, den sie sich bereits bei Ankunft an der Hotelrezeption hatten ordern lassen, fuhren sie über die Donau nach Leopoldstadt. Im 2. Wiener Bezirk erstreckte sich der Prater, eine sehr weitläufige Parkanlage, in der der Vergnügungspark, auch »Wurstelprater« genannt, nur einen verschwindend geringen Teil einnahm.
    Zamorra gab sich als französischer Ornithologe aus und bot der Polizei seine Mitarbeit an, biss aber auf Granit.
    »Wenn's so nicht geht, geht's eben anders«, murmelte er. »Ihr wartet hier. Ich werde mich nun ein wenig unsichtbar machen.«
    Der Professor konzentrierte sich. Wie man seine körpereigene Aura so eingrenzen konnte, dass sie nicht mehr über die körperliche Abmessung hinausging, hatte er vor langer Zeit von einem tibetischen Mönch erlernt. Die Folge dieses Tricks bestand darin, dass ihn Außenstehende plötzlich nicht mehr wahrnehmen konnten, dass er quasi unsichtbar wurde.
    Zamorra verschwand vor Nicoles und Claudius' Augen. Unbehelligt ging er an den Polizisten vorbei, die den gesamten Vergnügungspark abriegelten, und marschierte an den Fahrgeschäften, Spiel- und Imbissbuden vorbei. Es herrschte kaum Betrieb, da die Polizei den ganzen Vergnügungsplatz hatte räumen lassen. Erst beim Jack-the-Ripper-Haus massierte sich das Aufgebot der Untersuchungskräfte wieder.
    Der Meister des Übersinnlichen hätte gerne die Tote mit dem Amulett untersucht, um zu sehen, ob irgendwelche dämonischen Einflüsse an ihr feststellbar waren. Das ging jedoch nicht, weil die Leiche gerade abtransportiert wurde. Also wollte er sich per Zeitschau ansehen, was wirklich passiert war.
    Zamorra ging hinter einem Mann her, der eine Weste mit der Aufschrift »Spurensicherung« trug. Dessen Weg führte direkt durch den Ausgang ins Geisterhaus. Wahrscheinlich kam er so schneller zum Tatort. Der Professor hielt sich fünf, sechs Schritte hinter dem Polizisten. Als ihm zwei Frauen entgegenkamen, drückte er sich an die Wand. Trotzdem streifte ihn die eine leicht. Dadurch konnte sie ihn einen Moment lang wahrnehmen.
    Verblüfft hielt die Frau inne, als sie die Berührung spürte und sich das Schemen eines Mannes aus dem Nichts schälte. Zamorra ging schnell weiter und verschwand dadurch erneut in der Unsichtbarkeit. Die Frau schüttelte verwirrt den Kopf. Sie hatte die »Erscheinung« bereits wieder vergessen. Ein Phänomen, das dieser Trick ebenfalls mit sich brachte.
    »Was ist los, Petra?«, fragte die andere.
    »Was? Ach, nichts. Ich hatte gerade nur so ein komisches Gefühl.«
    »Das hab ich auch immer, wenn Ralf an mir vorbeigeht. Am liebsten würde ich den Kerl in der Donau versenken. Mit so einem Stein am Fuß.« Sie meinten eindeutig den Ermittler, an den sich Zamorra hängte. Die beiden lachten, der Professor atmete durch.
    Scheinwerfer tauchten den Ort des grausigen Geschehens in helles Licht. Ein halbes Dutzend Leute waren hier zugange und sicherten Spuren. Zamorra war gezwungen, noch etwas zu warten. Er sah sich kurz um. Die Lage der Leiche war mit Kreide nachgezeichnet, überall bemerkte er dunkle Blutflecke. Die Tiere, die höchstwahrscheinlich unter dämonischem Einfluss standen, hatten ein regelrechtes Blutbad angerichtet.
    Der Meister des Übersinnlichen ging zurück ins Freie. Gut eine Stunde sah er dem Treiben zu, dann hatte er freie Bahn. Er schlich zum Tatort zurück, der nun wieder leer und verlassen in der Finsternis lag. Zamorra versetzte sich in Halbtrance. Er konzentrierte sich gleichzeitig auf Merlins Stern und verschob einige der Zeichen. Umgehend verwandelte sich das Zentrum des Amuletts in einen Minibildschirm. Die bewegten Bilder, die es zeigte, entstanden gleichzeitig lebensgroß in seinem Gehirn. 24 Stunden konnte der Professor so in der Vergangenheit zurückgehen. Merlins Stern zeigte ihm exakt, was an diesem Ort geschehen war, begann aber in der Gegenwart und ließ den »Film« praktisch zurücklaufen. Dabei bewegten sich auch die gezeigten Personen rückwärts.
    Der Meister des Übersinnlichen war geübt darin, aus den rückwärtslaufenden Bildern sofort den tatsächlichen Ablauf der Dinge zu rekonstruieren. Es stellte sich ihm folgendermaßen dar: Ein halbes Dutzend Raben erschien plötzlich aus der Finsternis heraus und lauerte vor dem Aufzug. Das war eine ganz

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