0866 - Die Herrin der Raben
Wir haben uns trotz der Gründe, die man zu unseren Gunsten ins Feld führen kann, wie blutige Anfänger verhalten. Aber das passiert den Allerbesten hin und wieder«, behauptete der Professor.
»Du sagst es«, unterstützte ihn Nicole zerknirscht. »Wir waren zu sehr auf Svantevit fixiert. Und als wir feststellten, dass die Flammenfratze unmöglich in Amber Haggerman hausen kann, haben wir ihr automatisch vertraut. Dazu kam, dass uns Claudius ihre Geschichte mit der wiedererwachenden Hexe bestätigte. Ansonsten wären wir sicher etwas vorsichtiger gewesen. Künstlerpech.«
Zamorra trank seinen Rotwein in einem Zug aus. »Wir sind ihr dann in die Katakomben gefolgt wie die Kinder dem Rattenfänger von Hameln. Nachdem sie Jerrys Körper verließ, was du ja mitbekommen hast, Nici, bot sie uns mit dem huschenden Gespenst in den Katakomben und dem erwachenden Skelett ein hübsches kleines Schauspiel. Und ich Esel zerstöre tatsächlich die heilige Kreuzpartikel. Dafür soll mich die Panzerhornschrexe holen.«
»Du würdest ihr nicht schmecken, Chéri. Die mag nur gute Sachen.«
»Sehr witzig, Mademoiselle Nicole. Ich sehe immer klarer. Weil die Hexe im getrennten Zustand nur über sehr schwache magische Fähigkeiten verfügte, griff Merlins Stern die Illusion in den Katakomben nicht an. Und das sich erhebende Skelett erst recht nicht. Es wurde ja durch die Reliquie gebannt. Erst, als ich die heilige Kreuzpartikel zerstörte und die Hexe durch die Wiedervereinigung erneut ihre volle Kraft erlangte, schlug das Amulett los. Sie hat gewusst, wie sie sich schützen muss, denn ich Oberesel habe Amber ja zuvor so gut wie alles über das Amulett erzählt. So hat sie die Raben als lebende Wand zwischen uns aufgebaut. Da Merlins Stern normale Lebewesen nicht angreift, müssen die Raben schwarzmagisch beeinflusst gewesen sein. Schrecklich. Die armen Tiere tun mir leid. Eines würde ich aber doch noch gerne wissen: Wie konnte sie die Macht des Kreuzpartikels umgehen und das Skelett erstehen lassen?«
»Keine Ahnung. Nun, so weit so schlecht. Wir haben also maßgeblich dazu beigetragen, dass die Hexe Theresia Maria von Waldstein nach dreihundertsechsundzwanzig Jahren wieder zurück in Wien ist. Dazu dürfen wir uns ganz herzlich gratulieren«, ätzte Nicole. »Was will die gnädige Frau Hexe in der Stadt? Weißt du vielleicht etwas über ihr damaliges Leben, Jerry?«
Der Amerikaner nickte. »Ja, alles.«
Eine Frau betrat das Lokal. Sie schaute sich kurz um, kramte in ihrer Handtasche und zog eine Pistole hervor. Sie richtete die Waffe auf Kretchmers Kopf.
»Achtung!«, schrie Zamorra und sprang auf.
Der Schuss peitschte. Er traf den Amerikaner in den Hinterkopf. Ohne einen Laut kippte Kretchmer über den Tisch. Als sein Kopf im Salatteller landete, war er längst tot. Überall war plötzlich Blut.
Die Frau senkte den Arm und ließ die Waffe fallen. Mit starrem Blick und gesenktem Kopf blieb sie stehen, bis die Polizei eintraf.
»Wir stecken anscheinend in einer Misserfolgssträhne«, stellte Nicole zwei Stunden später sichtlich mitgenommen fest. »Wir scheinen den Fall auf der ganzen Linie zu versemmeln. Die Hexe ist uns immer einen Schritt voraus.«
»Im Moment ist das wohl so..« Zamorra zog die Stiefel aus und legte sich der Länge nach aufs Bett. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Weißt du, was ich mich schon die ganze Zeit frage, Nici? Woher weiß die Hexe eigentlich, wie ein Dhyarra funktioniert?«
ENDE des ersten Teils
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 814 »Der geheimnisvolle Engel«
[2] Siehe Professor Zamorra Nr. 836 »Die Traumzeit stirbt!«
[3] Siehe Professor Zamorra Nr. 814 »Der geheimnisvolle Engel«
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