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0866 - Die Herrin der Raben

0866 - Die Herrin der Raben

Titel: 0866 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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zum Teil noch in Pferdekutschen vorwärts. Man nennt sie Fiaker…«
    »Blödmann.« Nicole knuffte ihn kräftig in die Seite. »Siehst du die Raben?«
    »Ja und? Wahrscheinlich werden sie hier besonders gut gefüttert. So was merken sich die Tiere schnell. Die Raben im Wandl Wiens.«
    Nicole verdrehte die Augen. »Ich fasse es nicht. Manchmal frage ich mich ernsthaft, wie du zu deinem Professorentitel gekommen bist.«
    Sie betraten das Hotel. Der Herr an der Rezeption wies ihnen die zuvor bestellte Suite im vierten Stock zu. Sie erwies sich als Traum in Weinrot.
    Nicole räumte ihre wenigen Sachen in den Schrank ein. Zamorras »Einsatzkoffer« stellte sie auf den Tisch. Blaster und Dhyarra legte sie daneben. Dann trat sie ans Fenster und öffnete es weit. Ein Rabe stieß sich mit zornigem Krächzen vom brusthohen Sicherungsgitter ab und nahm ein Stockwerk weiter unten Platz.
    Nicole genoss ein paar Augenblicke die tolle Aussicht über den Petersplatz und die angrenzenden Gassen. »Bevor wir Claudius treffen, hüpfe ich noch schnell unter die Dusche«, sagte sie.
    »Gute Idee. Ich komme mit.«
    Sie zogen sich gegenseitig aus und gingen eng umschlungen ins Badezimmer, wo es nicht alleine beim Duschen blieb.
    Eine halbe Stunde später kam Nicole als Erste ins Zimmer zurück, das Handtuch um die Haare geschlungen.
    »He, was soll das?«, rief sie erbost. Auf dem Tisch saß eines der schwarzen Biester und versuchte gerade, sich den Dhyarra zu schnappen. Nicole riss das Handtuch vom Kopf und schlug nach dem Vogel.
    Der versuchte schnell noch, sich den magischen Kristall zu greifen, scheiterte aber. Als das Handtuch heranrauschte, hüpfte der Rabe ein paar Schritte zurück. Feindselig starrte er die nackte Frau an. Erst, als er den zweiten Schlag abbekam, räumte er das Feld. Er flog zum offenen Fenster hinaus.
    Nicole schloss es. »Unverschämte Biester«, sagte sie zum ebenfalls eintretenden Zamorra. »Die leiden wohl unter einer schweren Identitätskrise. Jetzt halten sie sich schon für Elstern und klauen wie die Raben.«
    »Elstern sind Rabenvögel. Aber ansonsten: nettes Wortspiel.« Der Professor grinste.
    »Willst du mich veralbern? Dann lass dir gesagt sein, dass du einen Vogel hast, Chéri.« Nicole zeigte ihm denselben.
    »Ja. Und Vögeln soll man bekanntlich drei Mal täglich… frisches Wasser geben«, seufzte Zamorra unbeeindruckt und warf seine Gefährtin aufs Bett. Dabei kam er mit Merlins Stern in Berührung, der auf dem Kopfkissen lag.
    »Beim Darmdurchbruch der Panzerhornschrexe«, stellte er alarmiert fest. »Das Amulett hat sich leicht erwärmt. Unser schwarzer Räuber eben war nicht ganz astrein.«
    Er sprang auf und lief zum Fenster. Zwecklos. Hunderte von Raben schienen ihn höhnisch anzustarren.
    Na komm schon, Professor, such den richtigen. Welcher von uns ist es…?
    ***
    Eine dunkel gekleidete Gestalt huschte zielstrebig durch die Katakomben unter dem Stephansdom. Der schmale Strahl der Taschenlampe vermochte die undurchdringliche Finsternis kaum aufzuhellen. Doch dem nächtlichen Eindringling reichte es allemal. Es war kalt hier unten, doch das störte ihn ebenso wenig wie die Finsternis und die fiependen Ratten, die er bei Bedarf aus dem Weg kickte. Traumhaft sicher wandelte er durch das Gewirr der halbrunden, aus uralten Steinen gemauerten Gänge, hinter denen noch immer das Grauen lauerte. Hin und wieder gaben sie den Blick darauf frei, nämlich auf vergitterte Schachtböden, die meterhoch von menschlichen Gebeinen bedeckt waren. Kreuz und quer lagen sie da, als hätten einst Fuhrwerke die Leichen achtlos hinuntergeschüttet, und genau so war es ja auch gewesen. Zwischen den Knochen schauten Totenschädel hervor, halbe und ganze, die aber allesamt gleich verzerrt zu grinsen schienen.
    Der Eindringling, der eine Katakombenführung gebucht und sich hier unten hatte einschließen lassen, verhielt vor einem ganz bestimmten Schacht. Tief atmete er durch. Aus einer anderen Richtung flatterte ein besonders großer und prächtiger Rabe heran und setzte sich leise krächzend auf seine Schulter. Der Eindringling, der mit der festen Absicht gekommen war, die Ruhe der Toten zu stören, lachte leise. »Servus, Franz-Josef. Ich habe dich bereits erwartet. Leider warst du mit dem Dhyarra-Kristall nicht sehr erfolgreich. Schade, aber nicht zu ändern. Du wirst mir in anderer Weise helfen.«
    Der Totenstörer war so gut über die Aktion seines gefiederten Freundes informiert, als sei er selbst dabei gewesen.

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