0866 - Die Herrin der Raben
Svantevits abgespaltenes Gesicht zu bändigen.
Der Mönch erhob sich und wusch den Schweiß mit etwas Wasser aus einer gusseisernen Schüssel ab. Seine Gedanken überschlugen sich.
Asmodis hatte Eskil von Lund im Jahre des Herrn 1168 den magischen Spiegel untergeschoben, damit der Zisterzienser die Drecksarbeit für den Höllenfürsten erledigte und Svantevit damit tötete. Der Superdämon hatte sich jedoch als viel zu stark erwiesen. Eskil von Lund war es lediglich gelungen, eines der vier Gesichter des Dämons abzuspalten und in sich selbst mit reinem Glauben zu bändigen. Im Moment seines Todes hatte Eskil das dämonische Flammengesicht Svantevits an seinen Nachfolger weitergegeben, da es im Todesmoment seines Wirtskörpers immer auf die am nächsten befindliche Person übersprang. So war dies über Jahrhunderte gegangen, und die Auserwählten, die sich längst »Der Geheime Orden« nannten, hatten im Augenblick ihres Todes jedes Mal ihre Nachfolger um sich versammeln können. Auch dies hatte Asmodis so arrangiert, wie Bruder Claudius nun ebenfalls wusste. Bevor Claudius dann Svantevits Gesicht von Bruder Passionatus übernehmen konnte, hatte Asmodis nicht aufgepasst. Passionatus war in den Armen einer Prostituierten gestorben und Svantevits Gesicht somit auf sie übergegangen. Mit Professor Zamorras und Nicole Duvals Hilfe hatte er die Katastrophe einer erneuten Vereinigung der vier Gesichter gerade noch abwenden könnend. [1]
Seither war das vierte Gesicht Svantevits außer Kontrolle. Niemand wusste, wo es sich momentan aufhielt und was der Furchtbare plante, um die Vereinigung doch noch herbeizuführen.
Zamorra und Nicole waren dem Dämon, den auch die Höllischen über alle Maßen fürchteten, in der australischen Traumzeit ein zweites Mal begegnet und hatten ihn erneut an seinem Tun hindern können. Immerhin. Zu töten war er nur sehr schwer. Die einzige wirksame Waffe gegen Svantevit, die momentan bekannt war, schien das FLAMMENSCHWERT zu sein. Aber das war nicht kontrollierbar. [2]
Und nun hatte Bruder Franziskus, einst ebenfalls Angehöriger des »Geheimen Ordens«, verzweifelt versucht, in Kontakt mit ihm zu treten.
Was bedeutete dies?
Wollte ihm der Bruder einen Hinweis auf neuerliche Umtriebe Svantevits zukommen lassen? Fast schien es so. Claudius hatte das Wort »Gefahr« mehr oder weniger deutlich von seinen Lippen lesen können. Und wenn er sich nicht täuschte, war von Wien oder Vienna die Rede gewesen, was schlussendlich aufs selbe herauskam.
Bruder Claudius zündete einige Kerzen an. Im flackernden Licht holte er einen mächtigen, uralten, in Rindsleder gebundenen Folianten aus der Schublade einer Kommode. Fast ehrfürchtig legte er das Buch auf den kleinen Tisch in der Ecke und setzte sich auf einen der beiden Stühle. Dann schlug er es auf. Im »Buch des Geheimen Ordens« hatten die Wächter allesamt ihren inneren Kampf mit Svantevits Flammenfratze niedergeschriében, um ihren Nachfolgern wertvolle Hinweise zu geben und sie somit zu unterstützen. Oder auch nur, um sich wenigstens diesem Buch anvertrauen zu können, da die Brüder des »Geheimen Ordens« strengste Schweigepflicht band. Allerdings fanden sich auch sehr viele ganz triviale Eintragungen bezüglich eines ganz normalen Alltagslebens dazwischen. Manche Brüder hatten Freude daran gefunden, das »Buch des Geheimen Ordens« zusätzlich als ganz normales Tagebuch zu führen. Sogar Skizzen und Zeichnungen gab es darin.
Claudius seufzte. Kurz bevor die Wächter das dämonische Bewusstsein an ihre Nachfolger übergaben, hatten sie ihnen das Buch überreicht. Bei ihm war es noch nicht so weit gewesen. Er hatte es also selbst suchen müssen und es schließlich in Passionatus' Zelle gefunden.
»Na, wo haben wir ihn denn«, murmelte Claudius und blätterte, von hinten anfangend, mit der gebotenen Sorgfalt immer weiter nach vorne. »Ah ja, da ist er ja.«
Claudius verwandte einige Mühe darauf, die verblasste Handschrift Bruder Franziskus zu entziffern. Schließlich war er im Bilde. Franziskus, der Svantevits Bewusstsein von 1663 bis zu seinem Tod 1701 in sich getragen hatte, erwähnte mehrere Wien-Reisen, darunter eine mit »geradezu erschröcklichen Ereignissen« in den Jahren 1679/80. Was genau es damit auf sich gehabt hatte, blieb allerdings im Dunkeln.
»Nicht gerade üppig«, murmelte Claudius. Trotzdem war er nun sicher, das Wort »Wien« richtig verstanden zu haben. Fast zwangsläufig zog er nun Parallelen zwischen
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