0867 - Emily
Zebulon. »Vielleicht habe ich nur zu laut gedacht.«
»Ich habe noch mal nachgedacht.«
Er winkte ab. »Laß es lieber.«
»Doch, ich habe gedacht. Ich habe wirklich geglaubt, dir helfen zu können.«
»Das wäre ja toll.«
Sie nickte. »Weißt du, da war die Frau, und da waren die beiden Männer. Aber ein Mann sah anders aus als der andere.«
Zebulon mußte lachen. »Das kann ich mir denken. Sonst wären es ja Zwillinge gewesen.«
»Stimmt, aber so habe ich das nicht gemeint, so nicht, das kannst du mir glauben.«
»Rede weiter, bitte.«
»Nun ja, ich dachte mir, daß es anders abgelaufen ist. Also, da war die Frau, und da war auch der eine Mann. Die hatten andere Gesichter als die Leute hier.«
»Ach ja?«
Emily nickte heftig. Sie sprach weiter, aber sie flüsterte dabei. »Gesichter, wie sie Leute haben, die nicht in Europa wohnen, sondern weit, weit weg. Andere Augen, die schräg stehen. Manche sagen Schlitzaugen dazu, glaube ich.«
»Chinesen?«
»Stimmt.«
Zebulon gab keinen Kommentar ab. Aber seine Augen hatten sich verengt, das Gesicht war noch härter geworden, die Haut schien gestrafft zu sein. »Und der andere Mann?«
»Sah aus wie einer, der hier wohnt. In Europa, meine ich. Er war ziemlich groß, blond, glaube ich, aber ich habe nur gesehen, daß die drei zuschauten. Sie hatten Pistolen, doch sie schossen nicht. Es war alles so komisch.«
»Du hast dich also auf Absalom konzentriert?«
»Das habe ich.«
»Als es ihn nicht mehr gab, was passierte da mit den drei Zuschauern? Weißt du das?«
»Nein, weiß ich nicht. Sie sind bestimmt gegangen, glaube ich. Klar, die haben den Friedhof verlassen.«
»Und jetzt kannst du sie nicht mehr finden?«
»Nein. Ich will es auch nicht.«
»Das kann ich verstehen.«
Emily lehnte sich zurück und legte den Kopf schief, als sie ihren Freund anschaute. »Bist du jetzt nicht mehr sauer auf mich?«
»Überhaupt nicht.«
»Das finde ich toll.«
»Ich war auch nie sauer. Aber du weißt selbst, daß man unter Freunden keine Geheimnisse voreinander zu haben braucht.«
»Ja, das stimmt.«
»Siehst du.«
Sie lächelte plötzlich. Dann stand sie auf und setzte sich auf den Tisch. »Weißt du, was ich mir für morgen vorgenommen habe?«
»Nein.«
»Soll ich es dir sagen?«
»Gern.«
»Ich werde wieder malen.«
»Klasse. Weißt du denn schon, was du malen willst?«
Sie nickte heftig und schüttelte danach den Kopf. »Nein, noch nicht, aber wäre es nicht toll, wenn ich diese drei male, die ich auf dem Friedhof bei Absalom gesehen habe.«
Zebulon staunte, daß es schon übertrieben wirkte. Aber es fiel Emily nicht auf. »Und du meinst wirklich, daß du das schaffen kannst?«
Sie hob den rechten Arm und streckte drei Finger in die Höhe. »Ich schwöre es dir.«
»Da bin ich wirklich gespannt.«
»Ich verwahre das Bild und werde es dir zeigen, wenn du mich besuchst. Ist das gut?«
»Super!«
Emily hüpfte auf ihren großen Freund und Beschützer zu. Sie setzte sich neben ihm auf das Bett.
»So, und jetzt will ich von dir wissen, wie es draußen aussieht. Du weißt schon, in der Welt, die mich nicht mehr haben will.«
Zebulon schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht ganz, meine Kleine. Irgendwann wirst du dort wieder zurückkehren. Es dauert nur eben eine Weile.«
»Aber es ist so lange«, widersprach sie.
»Dafür besuche ich dich ja des öfteren.«
»Viel zu selten.«
»Daran kann ich nichts ändern. Das ist eben Schicksal. Wir müssen es beide hinnehmen.«
»Blöd ist das.«
»Nun ja, es wird irgendwann anders werden. Willst du noch immer wissen, was draußen passiert?«
»Und ob.«
»Dann hör zu.«
Zebulon berichtete ihr von neuen Filmen und von Ereignissen, die sie interessieren könnte. Er tat es mit seiner sanften und flüsternden Stimme, er war voll und ganz konzentriert, aber er dachte auch zweigleisig, und diese Gedanken fingen sein wahres Ich und seine wahre Gestalt auf, die in einem Bett lag, das in London stand.
Auch die Zeit des Erzählens ging vorbei. Zebulon erhob sich. Emily wollte ihn halten, er aber drückte sie sanft zurück. »Freu dich auf den morgigen oder heutigen Tag, und freue dich schon auf die nächste Nacht, denn da komme ich wieder.«
»Versprochen?«
»Nicht nur hoch, auch heilig.«
»Das ist gut.«
Es war wie immer. Er drehte sich um und ging auf das Fenster zu. Er schien zu schweben, denn er war nicht zu hören.
Vor der Scheibe drehte er sich um.
Emily winkte, er winkte ebenfalls.
Dann glitt
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