0868 - Die Toten-Krypta
Absalom machte einen relativ zufriedenen Eindruck.
»Ich frage mich, ob man mich überhaupt noch braucht«, erklärte die Chinesin.
»Wie meinst du das?«
»Das gleiche gilt auch für dich, Suko, und natürlich auch für John. Sind wir nicht überflüssig?«
Suko hob die Schultern, aber auch damit hatte er seine Zustimmung gegeben.
Ich enthielt mich keinesfalls der Stimme. Nur was ich sagte, klang nicht eben überzeugend. »Er hat gesagt, daß er zurückkommen würde. Und ich glaube ihm.«
»Wir auch«, sagte Suko, »aber wie wird Zebulon zurückkehren - und mit wem? Das ist die Frage.«
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Emily so sein wird wie immer.«
»Das denke ich auch.«
Ich beteiligte mich nicht an der Unterhaltung, war einige Schritte zur Seite gegangen und schaute gegen den Himmel wie ein kleiner Junge, der bisher die Sternbilder nur in einem Buch gesehen hatte und nun zum erstenmal versucht, sie so zu sehen, wie sie tatsächlich waren.
Aber der Himmel schwieg.
Er gab mir kein Zeichen.
Eine unendliche blaue und tief graue Schwärze, aufgerissen durch kleine, funkelnde Lichtpunkte und durch ein im Verhältnis dazu großes Loch, den Mund eben.
Es bewegte sich nichts am Himmel. Hätte ich die Lichter eines Flugzeugs gesehen, wäre ich schon beruhigter gewesen, aber so entdeckte ich rein gar nichts.
Schweigen, Bewegungslosigkeit, die sich auch auf dem Erdboden fortsetzte, denn außer uns hielt sich niemand in der verlassenen Künstler-Kolonie auf.
Aber es spielte sich etwas ab.
Weg von uns, in einer anderen Dimension, in einem Reich, in das Zebulon mit Leichtigkeit hatte eindringen können, in das er uns aber nicht mit hineingenommen hatte.
Warum nicht?
Zum erstenmal kam in mir der Gedanke auf, daß er ein falsches Spiel mit uns trieb. Ich wollte mit meinen Freunden darüber reden, dazu kam es jedoch nicht mehr.
Die Bewegung entdeckte ich über den Hausdächern. Sie war urplötzlich da, als hätte man dort ein Stück aus der Dunkelheit herausgeschnitten. Es war Zebulon, der wieder in unsere Welt hineintauchte und den Eindruck erweckte, als wäre er nie fort gewesen.
Das allerdings täuschte, denn er war nicht allein. Er hatte den rechten Arm ausgestreckt und hielt sehr locker darin eine zweite Person. War es Emily? Hatte er sie endlich gefunden?
Nein, es war sie nicht.
Er hatte eine andere Person geholt.
La Luna!
Und die legte er direkt vor unsere Füße!
***
Wir schauten nicht ihn an, sondern die Figur, die auf der schmutzigen Erde lag, blutbesudelt war, wobei mir auffiel, daß der Degen und der Mantel fehlten.
Als nackte Statue lag sie regungslos vor uns, die Augen offen, aber leblos. Zebulon gab uns Zeit, die Gedanken zu ordnen, und das brauchten wir auch, denn wir waren so ziemlich von der Rolle.
»Fragt ruhig.«
»Warum sie?«
Er lächelte Shao zu. »Es mußte sein. Sie ist ausgelaugt, sie hat nicht mehr die Kraft gehabt, denn ich habe ihr letztendlich einen großen Gefallen getan.«
»Welchen?«
»Sie konnte nicht mehr die Mondgöttin sein, Freund. Sie war wirklich zu schwach geworden. Wodurch, das weiß ich nicht, und sie hat lange nach einer Nachfolgerin für sich gesucht, die dann an ihrer Stelle in eine ferne Welt eintauchen kann.«
»Also, Emily«, sagte ich.
»Ja, Emily. La Luna hat sie getestet. La Luna war mit ihr zufrieden, auch wenn Emily ihre Eltern getötet hat, aber in anderen Welten existieren auch andere Gesetze und Moralvorstellungen. La Luna hat bekommen, was sie wollte, Emily ebenfalls. Ich denke, daß wir zufrieden sein können, Freunde.«
Da war ich anderer Meinung. »Kannst du dir vorstellen, Zebulon, daß wir es nicht sind.«
»Sehr gut sogar.«
»Wir fühlen uns frustriert.«
»Das ist verständlich, aber was willst du gegen die starken und auch magischen Mondkräfte ausrichten? Ich will euch nicht als schwach bezeichnen, in diesem Fall aber steht ihr auf verlorenem Posten.«
Ich hob die Schultern, ohne es richtig akzeptiert zu haben. »Und was wird aus ihr?« fragte ich, dabei auf den nackten Leichnam deutend.
»Gib acht!« Zebulon bewegte seine Hände. Er berührte damit einen der Knöpfe an seinem Gürtel.
Der Kontakt reagierte so empfindlich wie ein Sensor. Schon nach einer kurzen Berührung schoß ein scharf gebündelter Lichtstrahl aus dem »Auge« des Gürtels hervor. Er bohrte sich mit der Intensität eines Laserbrenners oder einem scharf gebündelten Mondstrahls in die Person hinein.
Er teilte sie.
Der Körper bekam einen
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