0868 - Die Toten-Krypta
eine Lokomotive, die den ersten Energiestoß kurz vor ihrem Start bekommen hatte.
La Luna auch?
Würde sie starten, würde sie…?
Ein lautes Zischen lenkte mich ab. Es hörte sich an, als wäre ein Ventil geöffnet worden, aber es hatte einen anderen Grund. Wahrscheinlich war das Mondlicht jetzt kräftig genug geworden, um endlich sein Ziel zu erreichen.
Es verdampfte die Frau!
Dampf, Nebel; das Zischen wurde zu einem Heulen. La Luna löste sich vor unseren Augen auf und wurde zu einem zitternden und zischenden Geist, der senkrecht in die Höhe jagte und durch das kleine Glasfenster verschwand.
Sie war weg!
Wir standen da und starrten auf das leere Podest…
Absalom hatte gesehen, wie sich die Tür hinter seinen drei Begleitern geschlossen hatte. Bisher hatte er sich noch in der Gewalt gehabt und gut schauspielern können, das aber war nun vorbei. Er drehte sich von dieser Krypta weg, schlug die Hände vor sein Gesicht und taumelte einige Schritte weiter. Er wollte nicht mehr in der Nähe dieses Gebäudes bleiben, vielleicht tat es ihm besser, wenn er es aus einer gewissen Entfernung betrachtete.
In der Nähe des ersten Hauses blieb er stehen. Es gehörte zu den kleineren, und sein Dach war weit nach vorn geschoben worden, so daß es beinahe den Erdboden berührte.
Absalom schaute wieder zurück.
Ein Schauer rann über seinen Rücken, als er das Bild sah. Es war nichts passiert, trotzdem konnte er sich von diesem einmaligen und auch unheimlichen Eindruck nicht lösen, der direkt etwas mit dem Licht des Mondes zu tun hatte.
Der gelbe Erdtrabant war wieder gewandert und stand jetzt direkt über der Krypta. Er schickte seinen Schein als Strahl gegen das Dach, als wollte er es segnen, und es gab keine Wolke, die sich vor das Rund geschoben hatte.
Der Himmel bot in diesem Teil ein Gemälde, das nur aus kalten Farben bestand.
Absaloms Lippen zitterten. Automatisch beschäftigte er sich wieder mit der Frage, weshalb er gerade in diese leerstehende Künstlerkolonie gelockt worden war.
Ein Name war gefallen - Emily. Er hatte in Absalom Erinnerungen geweckt. Natürlich hatte er dieses Mädchen nicht vergessen, eine noch sehr junge Person, die hervorragend malen konnte. Er hatte sie damals sogar als kleines Genie angesehen, hatte mit ihr gesprochen, weil er von ihren Arbeiten fasziniert gewesen war, und er hatte sie auch nicht vergessen können.
So seltsam hatte sie ihn beim Abschied angeschaut, als hätte sie sich jedes Detail merken wollen.
Dann war sein Doppelgänger entstanden. Ein Freund der Ratten. Absalom selbst hatte aus den Zeitungen davon erfahren. Dort hatte er auch seine Beschreibung gelesen. Daraufhin war er geflohen, nur weg aus seinem Viertel, irgendwohin. Er war hier in dieser Kolonie gelandet und wußte nun, daß es nicht freiwillig geschehen war, denn eine andere Kraft hatte ihn geleitet.
Wieder schaute er hin.
Und abermals durchrieselte es ihn, als wäre sein Blut gegen einen Stromfluß ausgetauscht worden.
Er hatte keine Veränderungen gesehen, aber sie waren da, er spürte sie.
Der Mond!
Es mußte einfach die Kraft des Mondes sein, die ihn so reagieren ließ. Sie wirkte sich auf seine Psyche aus, sie war brutal, sie riß Löcher in ihn hinein. Er hätte nie für möglich gehalten, daß der Mond eine derartige Macht über ihn bekommen könnte. Das war nicht normal, das war alles anders, das konnte er überhaupt nicht nachvollziehen, aber er kam zu einem Ergebnis. Es war nicht gut für ihn, wenn er sich länger dem Einfluß des Mondes aussetzte.
Er wollte weg.
Und er ging rückwärts, den Kopf noch immer so weit angehoben, um die Veränderung am Himmel sehen zu können. Davon konnte er seinen Blick nicht abwenden. Der Kreis dort oben war wie ein Magnet, und er fühlte sich als das Stück Eisen.
Dann hörte er das Zischen.
Er blieb stehen!
Das Zischen blieb nicht, aber etwas anderes geschah, denn plötzlich wurde er geblendet.
Über dem Dach der Krypta entstand ein helles Licht. So hell und grell, daß Absalom nicht hineinschauen konnte. Es war nur kurz zu sehen, aber ihm kam es sehr lange vor. Während er sich unfreiwillig darauf konzentrierte, überfiel ihn ein gewaltiger Strom an fremden Einflüssen und Gedanken, der ihn fast zu Boden schleuderte. Nur mühsam gelang ihm das Heben der Arme, um so die Hände gegen sein Gesicht schlagen zu können. Wenn man sich verbrannt fühlen konnte, ohne mit einem Feuer in Berührung gekommen zu sein, so war dies in diesem Augenblick der Fall.
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