0869 - Der Affengott
dem 11. September 2001 schärfer gewordenen Flugzeugkontrollen zu einem Problem geworden.
»Deine Jacke kannst du gleich hier lassen - in Kambodscha ist es so heiß, dass dir der Schweiß in Strömen herunterlaufen wird«, meinte Nicole.
»Irgendetwas brauche ich ja, um den E-Blaster zu verdecken«, konterte Zamorra.
Nicole zuckte die Achseln. »Hauptsache, du hast deine Kreditkarten dabei, damit wir nicht im Freien übernachten müssen.«
»Falls der Transfer wirklich klappt, können wir jederzeit von Phnom Penh aus zum Chateâu Montagne zurückkehren und einen Bikini für dich holen, falls unser Aufenthalt so lange dauert, dass dies nötig ist.«
»Du weißt ja, dass ich notfalls auch ohne auskomme, Chéri!«
Sie betrachteten noch einmal intensiv das Foto.
»Konzentriere dich auf den See, Nicole!«, riet Zamorra seiner Freundin. »Was auch immer sich am Stadtbild Phnom Penhs in den letzten dreißig Jahren geändert haben mag, ich schätze, dass dieser See noch immer so aussieht wie damals…«
Augenblicke später waren sie entmaterialisiert.
Der Transfer hatte geklappt.
Wenig später erwachte ganz in der Nähe von de Bressacs Herrenhaus ein Polizist, der die letzten Stunden im hohen Gras gelegen und vor sich hingeschnarcht hatte. Der Beamte wunderte sich über den BMW, den jemand ganz in der Nähe abgestellt hatte…
***
Als Valerie erwachte, fand sie sich in einem Bett wieder.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen und wie lange sie ohne Bewusstsein gewesen war.
Sie setzte sich auf.
Ihre Kleider klebten ihr am Leib, so sehr schwitzte sie. Ein Ventilator surrte wie eine flügellahme Hummel.
Von draußen drangen Stimmengewirr und der Lärm der Straße herein.
Ihr erster Blick galt unwillkürlich der Kratzwunde an ihrem Handballen. Die Striemen schienen sich etwas entzündet zu haben. Die Wunde brannte und tat höllisch weh. Ich hätte sie wenigstens desinfizieren sollen, überlegte sie. Aber das musste warten. Es gab Wichtigeres.
Ihr Blick fiel auf ein Foto, das zwei Männer vor dem Boeng Kar See zeigte.
Pierre und François, Dezember 1975, Phnom Penh.
So stand es mit schwarzem Filzstift darunter.
»Ruh dich ruhig aus«, sagte plötzlich eine Stimme, die Valerie herumfahren ließ.
Sie blickte in Richtung der Tür.
»François!«, stieß sie hervor.
Der unscheinbare, schmächtige Mann war François Lon, Sohn einer kambodschanischen Mutter und eines französischen Vaters. Er war auf französische Schulen gegangen, weswegen man seiner Sprache allenfalls den Pariser Dialekt anhörte - keinesfalls aber seine süd ostasiatische Herkunft.
»Ein Rikschafahrer hat dich hier abgeliefert. Du warst in keinem guten Zustand.«
»Ein Kreislaufzusammenbruch oder so etwas. Ich weiß nicht, früher hat mir das Klima hier in Phnom Penh nicht so viel zu schaffen gemacht.«
»Das hat mit dem Klima wenig zu tun, Valerie - und es würde dir wohl auch wenig nützen, wenn du jetzt zu einem Arzt oder in ein Hospital gehen würdest.«
Sie sah ihn erstaunt an. Was redet er da?, fragte sie sich. Und im selben Moment machte sich wieder jenes eiskalte Etwas in ihr bemerkbar, das sich immer weiter in ihrer Seele ausbreitete. Sie zitterte leicht.
François Lon trat auf sie zu.
Er nahm mit einer energischen Bewegung ihre Hand und drehte die Innenfläche nach außen, sodass die Striemen des Lemurenangriffs deutlich sichtbar wurden.
»Das ist dein Problem«, stellte er in einem Tonfall fest, der keinen Widerspruch duldete.
»François, das ist nicht der Rede wert!«
»Du magst manches über deinen Vater und die Mächte, mit denen er sich einließ, wissen - aber längst nicht alles.«
»Was meinst du damit, François?«
Er musterte sie mit seinen dunklen, sehr ruhigen Augen. »Du bist von einem Lemuren angegriffen und verletzt worden.«
»Diese Bestien haben Vater getötet!«
»Ja, ich weiß. Inzwischen gibt es auch hier französische Zeitungen, wenn auch immer mit ein paar Tagen Verspätung. Der Fall hat Schlagzeilen gemacht. Und wie es scheint, haben die Handlanger Heng Sons auch andere heimgesucht, die deinen Vater auf seinen Expeditionen begleiteten.«
»Ich verstehe nicht, weshalb du so ruhig bleiben kannst, François.«
Er lächelte mild. »Ich weiß, dass es keinen Sinn hat, seinem Schicksal davonlaufen zu wollen.«
Das muss gerade er sagen! , ärgerte sich Valerie still über François' Bemerkung. Laut sagte sie: »François, ich bin hier, um dich um Hilfe zu bitten. Du warst es, der meinem Vater einst
Weitere Kostenlose Bücher