0869 - Der Affengott
der Nähe von Angkor. Deshalb kehrte ich hierhin zurück. Schließlich hegten die Roten Khmer den Plan, die ganze Stadt dem Erdboden gleichzumachen.«
»Du warst in seinem Auftrag hier?«
»Ja. Das ging allerdings schief. Ich wurde entdeckt und getötet. Es ging allerdings nicht ganz so schnell, wie du es eben geschildert hast. Deinem Vater aber fiel erst Jahre später ein, in die Vergangenheit zu reisen und mich rechtzeitig vor meiner Festnahme zu warnen. Er hatte damals wohl Probleme in der Handhabung der Blumen und brauchte mich.«
Valerie schluckte.
»Wie auch immer: Er hat dir das Leben gerettet - und jetzt bist du dran.«
»Ich träume jede Nacht von den Ereignissen, die zu meinem Tod führten. Einem Tod, der ja nun gar nicht mehr stattgefunden hat. Aber nicht für mein Bewusstsein…«
»Selbstmitleid steht dir nicht, François.«
»Du bist Pierres Tochter - da fällt es dir sicher schwer, ihn so zu sehen, wie er wirklich war: vollkommen skrupellos. Aber ich kann dir wirklich beim besten Willen nicht helfen. Selbst, wenn ich es wollte.«
»Warum nicht?«
»Die Lemuren haben Pierres Seele in sich aufgenommen, indem sie ihn zerfetzten. Sie haben diese Seele längst ihrem Herrn und Meister gebracht, wie ich die Lage einschätze. Sie gehört für alle Zeiten dem dunklen Bruder des Affengottes, so steht es geschrieben. Das Gift, das in seiner Seele wirkt, gilt auch für die Vergangenheit. Wenn wir ihn retteten, stünde ein Diener Heng Sons vor uns…«
»Das ist nicht wahr!«, flüsterte Valerie, während ihr Tränen über das Gesicht rannen.
»… und sehr bald schon wird seine Tochter ihm in diese Knechtschaft folgen!«
»Nein!«
»Eine winzige Verletzung durch einen Lemuren genügt dazu. Glaub mir…«
Valerie starrte ins Leere. Hatte sie es nicht die ganze Zeit über geahnt? Die Kälte in ihr wuchs. Ein leichtes Zittern durchlief ihren gesamten Körper.
»Gibt es kein Mittel dagegen?«, fragte sie tonlos. Und noch eine andere Frage stellte sich. Eine Frage, die Valerie in diesem Augenblick kaum auszusprechen wagte. Wer würde - außer ihrem Vater - dazu in der Lage sein, jene Mächte zurück in ihre Schranken zu verweisen, die Pierre de Bressac so leichtsinnig entfesselt hatte?
***
Als Zamorra und Nicole zwischen den Regenbogenblumen am Ufer des Boeng Kar Sees hervortraten, rann ihnen schon nach wenigen Metern der Schweiß von der Stirn.
»Dies muss tatsächlich Phnom Penh sein«, stellte Zamorra erleichtert fest.
»Die Adresse von diesem François Lon haben wir ja. Also können wir ihm einen Besuch abstatten«, schlug Nicole vor, während sie dem Seeufer folgten und auf den chaotischen Boulevard Confederation de la Russie zugingen. Die letzte Adresse von François Lon herauszufinden, war über das Internet nicht schwer gewesen. Er bewohnte ein Haus in der Nähe des Toul Tom Pon Markets und betrieb dort unter anderem einen Handel für Heilpflanzen, die er über eine Website vertrieb und in alle Welt exportierte. Von seinen Forschungen schien er sich vollkommen zurückgezogen zu haben.
Zumindest hatte er darüber seit Jahren nichts mehr veröffentlicht.
Aber jemand, der wahrscheinlich über die Funktionsweise von Regenbogenblumen Bescheid wusste, hatte wahrscheinlich auch keinerlei Interesse daran, davon etwas in der Öffentlichkeit verlauten zu lassen. Das hätte nur Konkurrenten und Neider herbeigelockt.
Es gab Dinge, die wichtiger waren als wissenschaftlicher Ruhm.
Zamorra konnte diesen Gedanken sehr gut nachvollziehen.
Lons Adresse am Boulevard Mao Tse Toung hatte er in den Routenplaner seines Handys vom Typ TI Alpha der Firma Tendyke Industries eingegeben.
Es würde keine Schwierigkeit bedeuten, dort anzukommen.
Allerdings war der Weg ziemlich weit, wie Zamorra nach einem Blick auf das gestochen scharfe Farbdisplay seines Gerätes feststellte.
Phnom Penh war eine sehr weitläufige Stadt.
»Wenn du das Ding da schon in der Hand hältst, könntest du uns eigentlich ein Taxi rufen!«, meinte Nicole, nachdem sie den Boulevard Confederation de la Russie erreicht hatten.
Zamorra lachte heiser und deutete auf die beiden entgegengesetzten, dicht gedrängten und vollkommen chaotischen Verkehrsströme, die sich den Boulevard teilen mussten. Einer, der in die Stadt hinein führte, und ein anderer in entgegengesetzter Richtung. »Was glaubst du, wie lange dieses Taxi wohl brauchen würde, um hier anzukommen und uns aufzulesen? Selbst die beste klimatisierte überlange Daimler-Limousine
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