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0869 - Der Affengott

0869 - Der Affengott

Titel: 0869 - Der Affengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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braucht doch einen halben Tag, um sich durch dieses Chaos zu quälen!«
    »Auf eine klimatisierte Limousine würde ich aber mit Vergnügen warten…«
    Sie überquerten den Boulevard und mussten dabei ziemlich aufpassen, um nicht von Sebu-Karren oder altersschwachen Lastwagen mit kyrillischen Buchstaben auf der Kühlerhaube über den Haufen gefahren zu werden. Plötzlich stutzte Zamorra.
    Er blieb mitten auf der Straße stehen.
    Nicole riss ihn mit sich.
    Zamorras Blick glitt suchend über die Fahrzeuge in seiner näheren Umgebung.
    Käfige mit Hühnern baumelten an den überladenen Fahrradrikschas. Daneben hing geräucherter Fisch. Einer von zahlreichen Marktfahrern war es wohl, der da in die Pedale trat, um endlich den Ort zu erreichen, an dem er eine Ware feilbieten konnte. Zu Tausenden verstopften sie den Boulevard, der mit einer breiten, großzügigen Schlendermeile nun auch nicht das Geringste gemein hatte.
    Auf einem dieser Karren sah Zamorra eine Katze herumklettern.
    Auf einem anderen einen Affen, der an einer Kette befestigt war. Er hatte etwas auf dem Rücken.
    Zusammengefaltete Flügel?
    Zamorra war sich nicht sicher, und im nächsten Moment war das Tier auch schon aus seinem Gesichtskreis entschwunden.
    Sinnlos, es wiederfinden zu wollen.
    Dutzende von Hupen ertönten in Zamorras unmittelbarer Umgebung. Im Straßenverkehr schien die asiatische Gelassenheit auch in diesem Land längst westlicher Hektik und Ellbogenmentalität gewichen zu sein.
    Zamorras rechte Hand berührte das Amulett.
    Merlins Stern schlug an.
    Die Wärme, die von ihm ausging, überstieg das durch die Sonneneinstrahlung verursachte Maß bei weitem.
    Sie erreichten die andere Straßenseite. Nicole zog ihn in eine Türnische herein. Hier herrschte wenigstens Schatten, und außerdem bestand auch nicht die Gefahr, irgendeinem Rikscha-Rowdy zum Opfer zu fallen.
    Als Zamorra erneut das Amulett berührte, wusste Nicole sofort Bescheid, was los war.
    Er brauchte ihr nichts zu erklären.
    Dazu kämpften sie einfach schon zu lange gemeinsam Seite an Seite gegen die Mächte der Finsternis.
    »Die Wärme lässt schon wieder stark nach«, stellte der Meister des Übersinnlichen anschließend fest. »Aber gerade da eben befanden wir uns in der Nähe einer Quelle von schwarzmagischer Energie. Daran kann es keinen Zweifel geben.«
    »Dann sind wir also auf der richtigen Spur«, stellte Nicole fest.
    Zamorra nickte düster.
    »Ja. Und ich schätze, dass wir uns sehr beeilen müssen, wollen wir von Valerie Cordonnier oder François Lon noch irgendetwas erfahren…«
    ***
    Heng Sons Schattengestalt durchschritt den Thronssaal, stieg die Stufen zum quaderförmigen Sockel des Knochenthrons empor und nahm dann Platz.
    Die geflügelten Affen verharrten kurz in angstvoller Stille. Sie kauerten in ihren Ecken oder hängten sich kopfüber an die von der Decke herabbaumelnden Schädel.
    Einer seiner menschlichen Diener stand in seine dunkle Kutte gehüllt zur Linken dieses grotesken Thrones, der wie eine steingewordene Verhöhnung jeglichen Lebens wirkte. Die Knochensubstanz der Schädel war im Laufe der Zeit versteinert, und so hatte sich ein Relief von bizarrer Grausamkeit herausgebildet. Ein Kunstwerk des Todes und Vergänglichkeit.
    »Sag mir deinen Namen!«, forderte der Bruder des Affengottes.
    »Ich bin das Gefäß ,«, sagte eine dunkle Männerstimme auf Französisch mit schweizerischem Akzent. Aber für den Herrn der verlorenen Stadt war es vollkommen gleichgültig, in welcher Sprache sich sein demütiger Knecht äußerte. Heng Son war in der Lage, die Gedanken seines Gegenübers zu lesen. Sie waren wie ein offenes Buch für ihn. Dasselbe galt für Emotionen jeglicher Art, die er mitunter regelrecht zu genießen pflegte. Insbesondere dann, wenn es sich um Emotionen handelte, die in irgendeiner Form mit Furcht und Entsetzen zu tun hatten. Der Herr des Schattenthrons konnte daraus Kraft beziehen.
    In den ersten Jahren seiner Verbannung hatte er die Sterblichen von Sarangkôr, die aus einer Laune des Schicksal heraus ebenfalls verbannt worden waren, weil sie sich gerade zu der Zeit in den Mauern dieser Stadt aufgehalten hatten, als die vereinte Kraft der anderen Götter ihn heimgesucht, in die Schranken gewiesen und mitsamt seiner Stadt und dem sie umgebenen Landstrich in eine andere Welt versetzt hatte, erheblich dezimiert. Er hatte diese Menschen für überflüssig gehalten, aber später seinen Irrtum erkannt. Gerade noch rechtzeitig, um ein Aussterben

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