087 - Bei Vollmond kommt der Tod
sich damit wohl oder übel abfinden.
Wieder schlug er den Weg zur Hütte ein. In seiner Schulter pochte ein dumpfer Schmerz, doch er brauchte sich keine Sorgen zu machen.
Jetzt handelte es sich nur noch um eine ganz gewöhnliche Fleischwunde. Nichts Ernstes.
Der bärtige Werwolfjäger schulterte seine Flinte und schritt weit aus. Der Wald war hier so unwegsam, daß man ihn nicht einmal mit einem Geländewagen durchfahren konnte. Die Bäume standen oft so dicht beisammen, daß kein Fahrzeug durchkam.
Selbst zu Fuß war der Marsch durch den nächtlichen Wald kein Spaziergang. Man mußte sich hier so zu Hause fühlen wie Terence Pasquanell, um sich einigermaßen zurechtzufinden.
Auch ohne die Werwölfe war das Leben in dieser rauhen Wildnis nicht ungefährlich. Es gab mächtige Grizzlys, die verdammt unangenehm werden konnten, wenn man ihren Frieden störte. Und auch Pumas und Kojoten machten das Gebiet unsicher, waren unermüdlich auf der Suche nach etwas Freßbarem, und der Tisch war für sie reich gedeckt. Jagen und gejagt werden hieß es hier. Der Stärkere frißt den Schwächeren. Hier hat dieses harte Gesetz der Natur noch seine unverfälschte Gültigkeit.
Pasquanell eilte einen Hang hinunter.
Zwischen den Bäumen glänzte der kleine See, an dessen Ufer die primitive Jagdhütte stand, in der er sich mit Simon Doyle eingenistet hatte.
Mehrmals hatte ihn der Junge schon gefragt, warum er es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, Werwölfe zu jagen, es müsse dafür doch einen triftigen Grund geben.
Den gab es tatsächlich, aber Pasquanell sprach nicht gern darüber, deshalb hatte er seinem jungen Begleiter bisher noch nie darauf geantwortet, höchstens mal eine vage Andeutung gemacht.
Er erreichte den kleinen See, in dem der Vollmond zu baden schien. Nun brauchte er nur noch um ihn herumzugehen, dann war er wieder »zu Hause«.
***
Mit einem blitzschnellen Tritt hatte Leon Harper den jungen Simon Doyle entwaffnet.
Der Smith & Wesson-Revolver war zu Boden gefallen und kreiselte davon. Doyle bemühte sich, trotz der Gefahr ruhig zu bleiben.
Sein Blick fiel auf die Schrotflinte, die er an die Wand gelehnt hatte, und er versuchte so zu handeln, wie es sein Lehrmeister in dieser Situation getan hätte.
Harper ging aufs Ganze. Er wußte, daß er Pasquanell schmerzhaft treffen würde, wenn er Doyle tötete. Schmerzhafter, als wenn er Pasquanell selbst angefallen hätte.
Doyle drehte, sich, riß das gestreckte Bein hoch und versuchte, mit der Ferse den Kopf des Monsters zu treffen, doch Harper duckte sich in Gedankenschnelle, und der Tritt ging fehl.
Doyle drehte sich weiter und setzte die Handkante ein. Seine Schläge trafen mehrmals den dicht behaarten Körper des Ungeheuers, doch die Bestie zeigte nicht die geringste Reaktion.
Doyle wich zum Schein zurück, machte dann zwei rasche Ausfallschritte und versuchte, an die Flinte zu kommen.
Harper fing ihn ab. Mit beiden Pranken erfaßte er den blonden Mann und riß ihn an sich.
Doyle sah die Reißzähne des Werwolfes auf sich zukommen, und in seinem Innern verkrampfte sich alles.
Er ließ sich fallen, rutschte aus der Umklammerung und landete auf dem Hüttenboden.
Harper stürzte sich sofort auf ihn, doch er rollte sich von ihm fort, kam schneller auf die Beine als der Wolf und traf das Untier mit dem rechten Fuß sehr kraftvoll.
Dieser Treffer riß Leon Harper um. Der Lykanthrop fiel auf den Rücken und blieb einige Herzschläge lang liegen.
Das war vielleicht die Chance!
Doyle stürmte durch die Hütte. Mit beiden Händen griff er nach der Schrotflinte. Als er sich umdrehte, die Flinte schon im Anschlag, lag die Bestie nicht mehr auf dem Boden, sondern wuchtete sich ihm mit ungestümer Kraft entgegen.
Der harte, muskulöse Wolfskörper prallte gegen Doyle. Der Flintenlauf wies an Leon Harper vorbei.
Es hatte keinen Sinn, abzudrücken. Die Ladung hätte den Werwolf nicht getroffen, und Harper hatte nicht die Absicht, Doyle zum Schuß kommen zu lassen.
Sie kämpften um die Waffe. Doyle setzte seine ganze Kampfkraft ein, um den Werwolf zurückzuschlagen.
Er rang keuchend mit dem Untier. Er wußte, daß er erledigt war, wenn er jetzt aufgab. Verbissen bemühte er sich darum, die Schrotflinte zu behalten.
Der Werwolf schleuderte ihn gegen die Hüttenwand, daß ihm Hören und Sehen verging.
Jeder Befreiungsversuch mißlang. Da ließ Doyle die Flinte los!
Aber er gab nicht auf. Er kämpfte nur nicht mehr um die Schrotflinte, weil er einsah, daß der
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