0870 - Plondfair, der Berufene
Fremdenergie und erzeugten dabei einen unvorstellbaren Druck, der auch Paraschub genannt wurde. Wenn ein Wynger-Schiff beschleunigte, entstand hinter dem dünnen Heckende der tropfenförmigen Konstruktion eine Zone irregulärer Raum-Zeit-Verhältnisse. Optisch wirkte diese Erscheinung fast wie ein Schwarzes Loch. Deshalb war die Beobachtung eines Schiffes während des Überlichtflugs auch ausgesprochen schwierig, denn es wurde fast unsichtbar.
Die Zone hinter dem Heck eines fliegenden Schiffes wurde Null-Prallzone genannt. In ihr stützten sich die freigelassenen Hyperenergien an der Raumkrümmung ab und drückten das Schiff voran. Schließlich durchdrangen sie den gekrümmten Normalraum und verschwanden, nachdem sie ihre Wirkung erreicht hatten, wieder im Überraum.
Wyngerische Raumschiffe konnten bis zu 600km/sec2 beschleunigen.
Plondfair war so in die Betrachtung der 4-BIRSCHOR versunken, daß er nicht sah, wie eine schlanke Gestalt aus dem Schatten der Abfertigungshalle auf ihn zutrat. Erst, als der Mann ihm den Weg versperrte, wurde er auf ihn aufmerksam.
„Gainth!" rief er erschrocken. „Ist irgend etwas geschehen?"
Er fürchtete, die Anwesenheit des Kryn hier auf dem Landefeld könnte ein Anzeichen dafür sein, daß die Priester es sich im letzten Augenblick anders überlegt hatten und ihn nicht mit den Kranken fliegen lassen wollten.
Gainth klopfte auf den kleinen Kunststoffbehälter, den er über den Rücken geschnallt hatte.
„Wie Sie sehen, bin ich reisefertig!"
„Sie machen den Flug mit?" fragte Plondfair erstaunt. Er fragte sich, ob das etwas mit ihm zu tun hatte oder eine interne Maßnahme der Kryn war.
„Meine Dienstzeit auf Kschur ist abgelaufen", erklärte Gainth. „Endlich darf ich wieder am Sitz vom Alles-Rad arbeiten, im Torgnisch-System."
Plondfair atmete erleichtert auf. Er brauchte also nicht zu fürchten, daß man ihn noch wegschicken würde.
„Koßjarta ist bereits an Bord gebracht worden, zusammen mit dreiundsechzig anderen Hilfsbedürftigen, die über das Rad gehen wollen", verkündete der Priester. „Sie haben eine Kabine unmittelbar neben der der Nährmutter."
„Das hat man mir bereits gesagt", nickte Plondfair. Er kam sich ein bißchen komisch vor, denn so, wie es aussah, waren Gainth und er die einzigen normalen Passagiere. Die Besatzung befand sich bereits an Bord, und die Kranken waren durch einen anderen Eingang zum Schiff gebracht worden.
„Es bewölkt sich", stellte Gainth mit einem Blick zum Himmel fest. „Ich kann mich nicht erinnern, daß wir am Tag des Blumenwinds schon einmal Regen gehabt hätten."
So, wie er es sagte, bekam seine Feststellung eine unheilvolle Bedeutung. Plondfair las einen versteckten Vorwurf in den Worten des Priesters, aber er entschloß sich, nicht darauf zu reagieren. Er hatte seine Wünsche durchgesetzt, so daß es unklug gewesen wäre, den Zorn Gainths herauszufordern. Sie gingen nebeneinander her bis zum Schiff.
Die Gangway, durch die das Wartungspersonal die 4-BIRSCHOR verlassen hatte, war wieder eingeholt worden, Gainth und sein fast um einen Kopf größerer Begleiter gelangten durch eine kleine Mannschleuse ins Innere des Schiffes. Gainth war ein bißchen außer Atem gekommen, ein sicheres Zeichen dafür, daß er nicht so durchtrainiert war wie Plondfair. Der Kryn blieb im Korridor stehen.
„Wir werden uns während des Fluges bestimmt sehen", meinte er.
„Ich weiß nicht", erwiderte Plondfair vorsichtig. Er hatte das unbestimmte Gefühl, daß er vor Gainth auf der Hut sein mußte. Hinter der gelassenen und freundlichen Haltung dieses Mannes, verbargen sich gefährliche Intelligenz und Feindschaft gegen alle, die den Kryn nicht wohlgesinnt waren.
„Ich werde mich in erster Linie um Koßjarta kümmern", sagte Plondfair.
„Sie können ihr nicht überall hin folgen", erinnerte Gainth. „Im Torgnisch-System werden sie sich trennen."
„Ja", sagte Plondfair.
Ein junger Kryn kam den Gang entlang, um sie abzuholen und in ihre Kabinen zu bringen. Er konnte seine Blicke nicht von dem großen jungen Lufken wenden. Plondfair lächelte still in sich hinein, denn er konnte sich vorstellen, daß Gainths Eitelkeit gekränkt sein würde. Gainth ließ sich jedoch nichts anmerken.
„Hier trennen sich unsere Wege", sagte er vor der Einmündung in einen Seitengang. „Ich wünsche Ihnen einen guten Flug, Berufener."
„Das wünsche ich Ihnen auch."
„Das Alles-Rad ist nichts, worüber man nachdenken sollte", meinte Gainth
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