0871 - Der silberne Tod
mir gesagt worden war, doch der Boden war bereits wieder ausgetrocknet und staubig.
Dafür wurde ich durch den Anblick eines prächtigen Sternenhimmels belohnt. Diamantensplitter auf blauem Samt, einfach traumhaft anzusehen. Ein Funkeln wie im tiefen Süden nahe des Äquators.
Dabei befanden wir uns in Frankreich.
Die Breitseite des Hauses hatte ich verlassen. Beinahe wäre ich noch über eine dreistufige Steintreppe mitten im Gelände gestolpert. Im letzten Moment konnte ich sie mit einem sehr langen Schritt überwinden. Jenseits dieser kleinen Treppe war der Hang nicht mehr so steil, trotzdem hatte ich dort keinen besseren Überblick, denn wie ein breiter und stummer Wächter stand der Baum nahe des Eingangs vor mir. Sein dicker Stamm nahm mir die Sicht.
Mein Gehör wurde nicht beeinträchtigt. Ich vernahm schnelle Schritte von einer bestimmten Seite her. Ein spärliches Lächeln huschte über meine Lippen, denn ich wußte, daß Suko dieselbe Idee gehabt hatte wie ich und früher den Eingang erreicht haben mußte. Einer von uns konnte dem anderen dann Rückendeckung geben.
Ich entspannte mich und ging weiter.
Und dann erlebte ich den Alptraum.
Ich war einfach nicht nah genug daran, um alles von Beginn an mitzubekommen. Der Frauenschrei drang an meine Ohren, gleichzeitig mußte noch etwas anderes passieren, und ich rannte plötzlich los, weil ich auch ein bekanntes Geräusch vernommen hatte, das immer dann entsteht, wenn jemand mit einer schallgedämpften Waffe schießt.
Ich raste plötzlich. Wie von selbst war mir die Beretta in die Hand geflogen - und ich kam doch zu spät.
Die Eingangstür war wieder geschlossen. Vor ihr allerdings lag eine bewegungslose Gestalt verkrümmt auf den Steinplatten. Selbst bei diesen miesen Lichtverhältnissen sah ich, daß es mein Freund Suko war, der sich dort nicht mehr bewegte.
Höchstens für die Dauer einer Sekunde überkam mich das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen. Mir aber kam die Zeit so schrecklich lang vor, ich fragte mich, warum sich Suko nicht bewegte, und ich erwachte wie aus einer Trance, als ich mich schon über ihn gebeugt hatte und das Blut sah, das neben seinem Kopf eine Lache auf dem Boden gebildet hatte.
Sukos Blut. Eine Kugel hatte ihn erwischt.
Kopfschuß! Tot! Keine Chance…
Schreckliche und zugleich realistische Gedanken jagten mir durch den Kopf. Ich hätte am liebsten vieles zugleich getan, aber ich bewegte mich nur einem Ziel entgegen, dessen Befehle ich von meinem Unterbewußtsein übermittelt bekam.
Ich schleifte Suko aus der Gefahrenzone dieses verdammten Hauseingangs fort, der möglicherweise zu seiner Grabstätte geworden war, denn Leben spürte ich in diesem starren Körper nicht. Jetzt kam mir die Hanglage des Hauses zugute. Über die Grenze des Eingangsbereichs rutschten wir hinweg, glitten noch ein Stück weiter, bis ich eine kleine Mulde fand, in die ich meinen Freund bettete.
Mond und Sternenlicht reichten aus, um einen Blick in sein Gesicht zu werfen.
Welch ein Gesicht! War es noch das Gesicht meines Freundes? Es sah so schrecklich bleich aus, und aus dem Haar hatte sich ein dunkler Streifen Blut gelöst, der an seinem Gesicht seitlich entlanggelaufen war und an der Oberfläche schon eine leichte Kruste bekommen hatte.
Es war schrecklich.
Ich wußte nicht, was ich in diesen, mir unendlich lang vorkommenden Sekunden dachte, wahrscheinlich überhaupt nichts, ich reagierte automatisch, als ich nach Puls- und Herzschlag fühlte, ihn aber nicht wahrnahm, sicherlich deshalb, weil ich zu nervös und aufgeregt war.
Aber die Halsschlagader bewegte sich, also war Leben in ihm. Warum sollte dies bei Suko nicht zutreffen? Schließlich war er ein normaler Mensch und nicht irgendein Kunstgeschöpf.
Mir ging es etwas besser. Ich konnte es auch riskieren, meinen Freund allein in der Mulde zu lassen, denn wichtig für mich war nun der Kerl, der ihm die Kugel verpaßt hatte.
Oder war es sogar eine Frau gewesen? Ich hatte den Schrei kurz vor der Tat nicht vergessen.
Egal wie, ich mußte hin.
Aber ich war durch Sukos Schicksal gewarnt worden. Lacombe verteidigte sich mit einer schallgedämpften Waffe, und er setzte sich rücksichtslos gegen jeden ein.
»Mach's gut, alter Junge«, flüsterte ich Suko zu und strich ihm zum Abschied über die Wange. »Ich werde mir den Hundesohn schnappen, darauf kannst du dich verlassen.«
Mein Inneres war mit Wut und Zorn gepolstert. Ich steckte voller Aggressionen, ohne allerdings das Ziel aus den
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