0871 - Der silberne Tod
Augen zu verlieren, und das wiederum visierte ich kalt an. Mich würde er nicht überraschen können, und ich würde auch nicht wie ein normaler Besucher an der Haustür ganz offen erscheinen.
Ich wollte einen Hintereingang suchen oder notfalls eines der Fenster einschlagen.
So leise wie möglich entfernte ich mich von der Mulde. Noch in Deckung des Hangs passierte ich den Eingang. Die Ohren und Augen gespitzt, auf jedes verdächtige Geräusch lauschend, was es aber nicht gab, denn Lacombe hielt sich zurück. Er schien zu wissen, daß wir zu zweit gekommen waren.
Als ich an einer bestimmten Stelle am Hang anhielt und den Kopf hob, sah ich die Wand des Hauses vor mir in die Höhe wachsen. Sie war eigentlich hell getüncht, in der Dunkelheit sah sie aus, als hätten sie einen blauen Schatten bekommen, der nur von den Vierecken der Fenster unterbrochen war, in deren Scheiben sich sogar in den oberen Hälften ein Ausschnitt des Sternenhimmels spiegelte und sie so zu romantisch wirkenden Bildern machte.
Mit einem Sprung nach vorn erreichte ich die Hausmauer. Zwischen zwei Fenstern preßte ich mich gegen das Gestein und spürte dessen Härte in meinem Rücken.
Abwarten.
Zeit vergehen lassen, allmählich zur Ruhe kommen. Die Gedanken wieder ordnen.
Bis zum nächsten Fenster war es nicht weit. Eine halbe Körperlänge nur mußte ich mich voranschieben, um durch das Glas ins Innere schauen zu können.
Durch die Hauswand hörte ich nichts. Sie war so dick, daß sie jedes Geräusch fernhielt.
Ich näherte mich der Scheibe, den rechten Arm hochgestreckt, und die Beretta dabei umklammernd.
Die Stille war normal. In einer Situation wie dieser allerdings kam sie mir bedenklich vor.
Warten…
Nicht zu lange.
Ich war schnell am Fenster, schaute hindurch - und sah nichts. Kein Licht brannte in dem dahinterliegenden Raum. Die Dunkelheit der immer stärker werdenden Dämmerung hatte sich auch in der Scheibe gefangen, und so sah ich nur düstere Wolken, aber kein Licht.
Ich atmete wieder aus.
Schweiß stand mir auf der Stirn. Im Hals lag kratziger Staub, und wenn ich schluckte, war alles trocken wie Pulver. Auf leisen Sohlen huschte ich weiter, immer auf der Suche nach einer Hintertür.
Die fand ich nicht, dafür eine Treppe, die außen an der anderen Seite des Hauses einem Kellereingang entgegenführte.
Viel Hoffnung hatte ich nicht und wurde deshalb auch nicht enttäuscht, als ich die Kellertür ebenfalls verschlossen vorfand. Es blieb wohl nur der Weg durch das Fenster.
Ich ging wieder zurück bis zur Rückseite und suchte nach einem Gegenstand, der die Scheibe zertrümmerte. Schon bald geriet mir ein ziemlich großer Stein zwischen die Finger. Er war noch von einer dicken Lehmkruste umgeben und hatte deshalb zusätzliches Gewicht bekommen. Das Fenster konnte ich mir aussuchen. Da ich nicht wußte, welches am besten für einen Einstieg in das Haus geeignet war, nahm ich mir das am weitesten vom Eingang entfernt liegende vor.
Einmal ausholen reichte.
Dann schleuderte ich den Stein. Er zertrümmerte die Scheibe.
Während sich die Scherben auf dem Weg nach innen befanden, hatte ich mich dem Fenster genähert. Ich schaute in den dunklen Raum und stellte zugleich fest, daß keine größeren Scherbenstücke mehr im Rahmen hingen. Also riskierte ich es und kletterte in das Zimmer. In der Dunkelheit stieß ich gegen einen kleinen Tisch und warf ihn um.
Wenn Lacombe nicht taub war oder unter einem Hörfehler litt, mußte er die Geräusche gehört haben. Nur erschien er nicht, um nachzuschauen. Er blieb im Unsichtbaren, und hatte mir gegenüber einen Vorteil. Er kannte sein Haus, ich nicht, und ich würde mich darauf gefaßt machen müssen, aus dem Hintergrund angegriffen zu werden.
Erst einmal wollte ich das Zimmer verlassen und ließ die äußeren Begleitumstände so, wie sie waren. Ich schaltete kein Licht ein. Selbst auf den hellen Strahl der Lampe verzichtete ich, fand aber auch im Dunkeln die Tür, und diese war nicht verschlossen.
Sehr vorsichtig zog ich sie auf.
Ein schmaler Flur war mehr zu ahnen, als zu sehen. Ein Korridor. Es sah aus, als würde er das Haus in zwei Hälften teilen. Ich schaute nach rechts zum Eingangsbereich hin, wo es etwas heller war, denn durch ein Fenster sickerte der bleiche Schein der Gestirne.
Links war alles dunkel. Da schwamm das Ende des Flurs in tiefen Schatten.
Ich nahm die andere Seite.
Mit leisen Schritten bewegte ich mich an mehreren Türen vorbei und kam mir dabei vor wie
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